Cambridge/Hamburg (dapd). Spielen oder lernen: Für Kinder mit einer Leseschwäche könnte es sinnvoll sein, beides zu verbinden. Denn Action-Videospiele verbesserten die Lesefähigkeit, berichten Forscher im Fachjournal "Current Biology" (doi: 10.1016/j.cub.2013.01.044). Der Effekt von zwölf Stunden sei größer als von einem Jahr natürlicher Entwicklung oder herkömmlicher Leseförderung.
Die Leseschwäche ist ein noch immer nicht gänzlich verstandenes Problem. Da sie gehäuft in bestimmten Familien auftritt, vermuten Forscher, dass sie mindestens zum Teil erblich ist. Andere Studien fanden heraus, dass fehlendes Lese- und Schreibtraining verhindert, dass sich im Gehirn die relevanten Bereiche hinreichend vernetzen.
Das Team um den Psychologen Andrea Facoetti von der italienischen Universität Padua verfolgt einen anderen Ansatz. Die Forscher haben bereits in einer früheren Studie die Hypothese entwickelt, dass es sich bei der auch als Legasthenie bekannten Leseschwäche nicht um ein sprachliches Problem handelt. Die eigentliche Ursache sei mangelnde visuelle Aufmerksamkeit. Der Ansatz von Facoetti und seinen Kollegen, um Abhilfe zu schaffen, dürfte Eltern auf den ersten Blick nicht gefallen: mehr actionreiche Computer- und Videospiele spielen.
Actionspiele wirken deutlich besser als andere Genres
Facoettis Team untersuchte Lesefähigkeiten, phonologische Fähigkeiten und Aufmerksamkeit bei zwei Gruppen mit je zehn legasthenischen Kindern. Die Forscher erfassten die Eigenschaften vor und nachdem die eine Gruppe ein Actionspiel, die andere Gruppe ein sonstiges Videospiel neun Mal für 80 Minuten gespielt hatte. Jene Kinder, die Actionspiele gespielt hatten, konnten danach schneller lesen, ohne dadurch mehr Fehler zu machen. Sie verbesserten sich auch in anderen Aufmerksamkeitstests. Die Lesefortschritte seien teilweise größer gewesen als nach einem Jahr traditioneller Lesetherapie, schreiben die Forscher.
"Action-Videospiele verbessern viele Aspekte der visuellen Aufmerksamkeit", berichtet Seniorautor Facoetti. Besonders gefördert werde die Fähigkeit, Informationen aus der Umwelt zu extrahieren. Facoetti erklärt: "Legasthenische Kinder lernen, sich zu orientieren und ihre Aufmerksamkeit effizienter zu fokussieren, um die relevante Information eines geschriebenen Wortes schneller zu erfassen."
Keine Empfehlung für unbeaufsichtigtes Videospielen
Der Psychologe betont, dass die Erkenntnisse wichtig seien, um die Hirnmechanismen zu verstehen, die der Legasthenie zugrunde liegen. "Aber die Studie versetzt uns nicht in die Lage, das unbeaufsichtigte Spielen von Computerspielen zu empfehlen", schränkt Facoetti ein. Bislang seien Computerspiele in keinen regulären Therapieansatz integriert. Die Studie mache jedoch Hoffnung, dass neue und einfache Methoden die Symptome der Störung abschwächen könnten.
dapd