Etwa 14.000 Kinder unter 15 Jahren sind
jährlich als Radfahrer in Verkehrsunfälle verwickelt – vielfach auf
dem Weg zur oder von der Schule. „Viele Eltern fragen sich, ob und
unter welchen Umständen sie wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht
zu Schadenersatz in Anspruch genommen werden können“, sagt
Rechtsanwalt Michael Winter aus Kornwestheim.
Kornwestheim (dapd). Etwa 14.000 Kinder unter 15 Jahren sind
jährlich als Radfahrer in Verkehrsunfälle verwickelt – vielfach auf
dem Weg zur oder von der Schule. „Viele Eltern fragen sich, ob und
unter welchen Umständen sie wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht
zu Schadenersatz in Anspruch genommen werden können“, sagt
Rechtsanwalt Michael Winter aus Kornwestheim. Für einen juristischen
Laien ist die Haftungsfrage wohl nicht so ganz einfach zu
überblicken. „Grundsätzlich jedoch gilt, verursacht ein Kind unter
zehn Jahre im Straßenverkehr einen Unfall, haftet es hierfür nicht“,
stellt der auf Verkehrsrecht spezialisierte Jurist klar.
Mit dem Schadensersatzrechtsänderungsgesetz von 2002 seien Kinder
unter zehn Jahren von jeder Haftung bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen
im motorisierten Verkehr freigestellt worden. Laut Winter gibt es
allerdings einige Ausnahmen.
So würden Kinder unter zehn Jahren beispielsweise dann haften,
wenn sie einen Schaden „vorsätzlich“ herbeigeführt hätten. Was
allerdings zu beweisen wäre. Eine weitere Ausnahme sei nach einem
Urteil des Bundesgerichtshofs, wenn sich bei einem Unfall „keine
typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen
Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat“ (Aktenzeichen:
VI ZR 335/03). „Im Klartext bedeutet das gestelzte Juristendeutsch:
Beschädigt ein unter zehn Jahre altes Junior mit seinem Fahrrad ein
geparktes Fahrzeug, müssen die Eltern ins Portemonnaie greifen“,
erläutert der Rechtsanwalt.
Zwtl.: Regelmäßig wird Verletzung der Aufsichtspflicht
unterstellt
Generell müsse bei der Haftungsfrage darauf geachtet werden, ob
im Einzelfall eine Überforderung eines unter zehnjährigen Kindes
vorgelegen oder es sich aus anderen Gründen nicht verkehrsgerecht
verhalten habe, erläutert Winter. Umgekehrt bedeute dies, dass ein
Geschädigter, der eine Ausnahme vom Regelfall begründen möchte,
beweisen müsse, dass gerade keine typische „Überforderungssituation
eines Kindes“ vorgelegen habe.
„Bei jedem Verkehrsunfall eines Kindes wird man sicherlich auch
an eine mögliche Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern zu
denken haben“, sagt Winter und fügt hinzu: „Die Eltern müssen
beweisen, dass sie alles Erforderliche getan haben, um den Unfall zu
vermeiden.“ Ein Nachweis, der in der Praxis regelmäßig nicht
erbracht werden könne.
Im Endeffekt komme es immer auf den konkreten Einzelfall an. Es
gebe in der Rechtsprechung zur Aufsichtspflichtverletzung keine
allgemeingültigen Regeln, sondern nur eine Fülle von
Einzelentscheidungen für die jeweiligen Umstände des Malheurs.
Zwtl.: Das Dilemma der Eltern
„Einig sind sich die Gerichte, dass Kinder im schulpflichtigen
Alter angeleitet werden müssen, sich im Straßenverkehr sicher zu
bewegen“, betont Winter. Richtiges Verhalten mithin müsse eingeübt
und wiederholt kontrolliert werden. Aber schon die Frage, ab welchem
Alter Kinder beispielsweise mit dem Fahrrad unbeaufsichtigt am
Straßenverkehr teilnehmen dürften, werde von den Gerichten
unterschiedlich beantwortet. „Die Rechtsprechung ist uneinheitlich
und ohne klare Linie“, sagt Winter.
„Grundsätzlich stehen Eltern angesichts der Gefährlichkeit des
Straßenverkehrs einerseits vor der Aufgabe, ihre Kinder über
Gefahren und Regeln des Verkehrs zu belehren, ihr Verhalten auf der
Straße zu beobachten und zu kontrollieren. Auf der anderen Seite ist
es ebenso Aufgabe der Eltern, die Kinder zur Selbstständigkeit und
zur eigenverantwortlichen Teilnahme am Straßenverkehr zu erziehen“,
beschreibt Winter das Dilemma.
Um dem Risiko einer Inanspruchnahme wegen Verletzung der
Aufsichtspflicht zu entgehen, empfiehlt er den Abschluss einer
privaten Haftpflichtversicherung. Dann sei immer die ganze Familie
mitversichert. Die Privathaftpflichtversicherung decke zudem nicht
nur Schäden ab, für die Eltern oder Kinder einzustehen hätten, sie
helfe auch bei der Abwehr unberechtigter Ansprüche.
dapd.djn/T2012082000566/nom/k2120/mwa
(Kornwestheim)