Berlin/Düsseldorf (dapd). Alles soll normal ablaufen und das Kind gesund zur Welt kommen – das wünscht sich wohl jede Frau. Eine gesunde Schwangere denkt in der Regel kaum an einen ungeplanten Kaiserschnitt, sondern bereitet sich lieber im Geburtsvorbereitungskurs mit Atemübungen und Sitzhaltungen auf eine natürliche, vaginale Geburt vor. "Kommt es dann während der Geburt unerwartet zu Komplikationen, platzt dieser Traum", sagt Katrin Mikolitch, ganzheitliche Ärztin und Gründerin des Kaiserschnitt-Netzwerkes aus Düsseldorf. Und das kann für die betroffene Frau und ihren Partner psychisch sehr belastend sein. Denn: Plötzlich muss alles schnell gehen und die Schwangere wechselt vom Kreissaal in den OP. Ängste und Gefühle von Hilflosigkeit können dabei entstehen.
Jede dritte Geburt operativ
Beim Thema Geburt klaffen in Deutschland Wunsch und Wirklichkeit ziemlich auseinander. Eine große Umfrage der Gmünder Ersatzkasse (GEK) in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen hat ergeben, dass fast alle Frauen ihr Baby bei einer natürlichen Geburt auf die Welt bringen möchten. Nur zwei Prozent der befragten Frauen verlangen nach einem "Wunschkaiserschnitt". Die Realität spricht jedoch andere Zahlen: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben im Jahr 2010 rund 32 Prozent aller Kinder das Licht der Welt per Kaiserschnitt erblickt. Fast jede dritte Geburt verläuft damit operativ. "Die Wahrscheinlichkeit, mittels Kaiserschnitt zu gebären, ist demnach relativ hoch und sollte von Schwangeren auf jeden Fall in der Geburtsvorbereitung berücksichtigt werden", rät Mikolitch.
Geburten sind riskanter
Wenn eine natürliche Geburt plötzlich nicht mehr möglich ist, kann das viele Ursachen haben, sagt Professor Franz Kainer von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. in Berlin: "Frauen werden heute häufig in einem höheren Lebensalter schwanger, das kann Geburten riskanter machen." Auch Vorerkrankungen, wie Diabetes, Bluthochdruck oder Adipositas verstärken häufiger das individuelle Risikoprofil von Schwangeren. Welchen Grund es im Einzelfall auch gibt: "Wenn eine medizinische Indikation besteht, ist der Kaiserschnitt immer eine sinnvolle und lebensrettende Maßnahme", sagt Mikolitch. Und auch wenn der Gedanke an eine Operation Angst macht: " Der Kaiserschnitt gilt dank verfeinerter Operations- und Narkoseverfahren heute als ein relativ harmloser Eingriff." Zumindest körperlich. Seelisch kann er durchaus Spuren hinterlassen.
Im Notfall keine Zeit zum Erklären
Besteht das Risiko für einen Kaiserschnitt, zum Beispiel aufgrund der gesundheitlichen Situation der Mutter, wird in der Regel schon frühzeitig mit den Eltern über diesen Eingriff gesprochen, sagt Kainer: "Auch während der Geburt werden Risikofaktoren meistens schon sehr früh erkannt, so dass der Arzt mit den werdenden Eltern noch in Ruhe besprechen kann, warum ein Kaiserschnitt gemacht werden sollte." Doch eine Garantie für umfassende Aufklärung gibt es nicht. "Ungefähr zehn Prozent aller Kaiserschnitte sind Notfall-Operationen", sagt Kainer. Notfall, das bedeutet: Es muss sehr schnell gehen. Für ausführliche Aufklärungsgespräche ist keine Zeit, wenn die Gesundheit der Mutter oder des Kindes in Gefahr ist. Professor Kainer sagt: "In solchen Situationen ist es tatsächlich so, dass wir oft erst im Nachhinein mit den Eltern ausführlich über die Entscheidung reden können."
Wissen schützt
Was passiert hier? Und warum passiert es? "Viele Kaiserschnitt-Mütter, die an den psychischen Folgen ihres Kaiserschnittes leiden, berichten mir, dass sie sich über den Eingriff nicht ausreichend aufgeklärt gefühlt haben", sagt Mikolitch. Und spricht damit auf ein Problem an, dass auch die GEK-Studie belegt: Nur die Hälfte der befragten Frauen, die einen sekundären, also einen nicht-geplanten Kaiserschnitt bekamen, fühlten sich ausreichend in die ärztliche Entscheidung einbezogen. Und nur 16 Prozent der Frauen gaben an, sich bereits während der Schwangerschaft überhaupt mit dieser Entbindungsform auseinandergesetzt zu haben. Für die meisten kam der Schnitt hingegen eher überraschend und unvorbereitet. "Hier besteht noch viel Informations- und Veränderungsbedarf", sagt Mikolitch, die sich wünscht, dass sich Frauen mit Hebammen oder Ärzten schon während der Schwangerschaft intensiver über einen möglichen Kaiserschnitt austauschen. Auch Professor Kainer ermutigt werdende Eltern, mit ihren Fragen offen an Ärzte und Hebammen heranzutreten: "Lassen Sie sich beraten, fragen Sie nach. Viele Ängste können auf diese Weise gemindert werden."
dapd