Perlon feiert seinen 75. Geburtstag. Aufstieg und
Niedergang der Kunstfaser sind eng verwoben mit der deutschen
Geschichte. Einst diente sie zur Herstellung von Fallschirmen und
Damenstrümpfen. Heute werden Schiffstaue und Teppichböden daraus
gemacht.

Berlin (dapd). Perlon feiert seinen 75. Geburtstag. Aufstieg und
Niedergang der Kunstfaser sind eng verwoben mit der deutschen
Geschichte. Einst diente sie zur Herstellung von Fallschirmen und
Damenstrümpfen. Heute werden Schiffstaue und Teppichböden daraus
gemacht.

Perlon stammt aus den Labors der IG Farben. Erstmals hergestellt
wurde das Material am 29. Januar 1938 vom Chemiker Paul Schlack.
Inspiriert worden war er zu seinen Versuchen allerdings vom
US-Chemiekonzern DuPont. Der hatte kurze Zeit zuvor mit Nylon die
erste vollsynthetische Faser entdeckt und patentrechtlich schützen
lassen.

„Doch Schlack hat eine Lücke im Patent gefunden, um ebenfalls
einen seidenähnlichen Stoff herstellen zu können“, berichtet Gerhard
Koßmehl, der früher an der Freien Universität Berlin Chemie lehrte.
„Fäden, die billiger als Seide waren, schöner als Seide und in
beliebiger Menge verfügbar.“

Professor Koßmehl hat Schlack noch selbst getroffen und schildert
ihn als fröhlichen Menschen: „Der Ellbogentyp war er nicht, eher der
Pfiffige.“

Doch während in den USA bald darauf Millionen „Nylons“
Frauenbeine schmückten, kam die Produktion der Perlon-Strümpfe in
Deutschland über erste Versuche nicht hinaus. Denn im
Nazi-Deutschland wurde die neue Kunstfaser schnell als
„kriegswichtig“ eingestuft. Statt zarter Strümpfe entstanden aus
Perlon Fallschirme oder die Faser wurde zur Verstärkung von
Flugzeugreifen eingesetzt.

Zwtl.: In der DDR wurde aus Perlon Dederon

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hielt Perlon auch Einzug in den
deutschen Alltag und prägte mit Perlon-Strümpfen und Petticoats für
viele das Bild der 50er und 60er Jahre. Doch auch bei Hemden, Blusen
und Kleidern erlebte die preiswerte Synthetikfaser einen Siegeszug,
war sie doch widerstandsfähig, pflegeleicht und bügelfrei.

„Man konnte so ein Hemd abends waschen, aufhängen und morgens
wieder anziehen“, erinnert sich Koßmehl. Dafür musste der Träger
allerdings in Kauf nehmen, dass er mitunter etwas müffelte. Denn
atmungsaktiv war die Wunderfaser nicht – eher glichen die
Kleidungsstücke einem Schwitzkasten.

Die deutsche Teilung ging an Perlon nicht folgenlos vorbei. Im
Osten erhielt die Wunderfaser Ende der 50er Jahre den Namen DeDeRon
und warb damit für den neuen Staat. Unvergessen sind Kittelschürzen
und Einkaufsbeutel aus Dederon.

Doch in den 70er Jahren endete der Höhenflug von Perlon. Neue
Kunstfasern, Mischgewebe und eine Renaissance der Naturfasern
drängten die Erfindung von Schlack in den Hintergrund. Doch ganz
verschwunden ist Perlon nicht: Heute findet es vor allem in
Teppichböden, Schifftstauen und als Bespannung für Tennisschläger
Verwendung.

dapd.djn/T2013012551369/re/mwa

(Berlin)