Köln/München (dapd). Die Menschheit sucht seit jeher ein Medikament gegen alle Zivilisationskrankheiten. Im Idealfall braucht es kein Rezept, kostet nichts und ist frei von Nebenwirkungen. Zu schön, um wahr zu sein? "Dieses Medikament gibt es und jeder kann darauf zugreifen", sagt Professor Ingo Froböse, Leiter der Deutschen Sporthochschule Köln. "Das Wundermittel heißt Bewegung!"
Der Sportwissenschaftler ist fest von seiner These überzeugt: "Wenn Bewegung ein Medikament wäre, hätte es schon längst den Nobelpreis erhalten." Ob Herz-Kreislauferkrankungen, Rückenschmerzen oder Krebs: Viele Zivilisationskrankheiten sind eine direkte Folge mangelnder körperlicher Aktivität. "Studien belegen ganz deutlich, dass das der größte Krankmacher ist."
Bewegter Alltag – gesunder Körper
Jährlich würden weltweit vier Millionen Menschen an den direkten Folgen von Bewegungsmangel sterben. "In Europa schätzen wir die Zahl auf rund 800.000 Todesfälle", sagt der Experte. Diese Zahlen sind erschreckend, bringen im Umkehrschluss aber positive Nachrichten: "Wer noch heute anfängt, sich zu bewegen, macht sofort etwas Gutes für seine Gesundheit."
Runter vom Sofa, rauf aufs Rad: Das klingt leichter, als es ist. "Für Sportmuffel und Menschen, die lange bewegungsarm gelebt haben, ist die Umstellung schwierig", sagt Froböse. Wer sich vornimmt, mehr Sport zu treiben, müsse häufig extrem mit seinem inneren Schweinehund kämpfen: "Man muss sich nichts vormachen, es braucht am Anfang Überwindung." Doch die zahle sich aus. Schon nach wenigen Wochen regelmäßiger sportlicher Betätigung finden die meisten Menschen Gefallen am neuen Hobby: "Es setzt ein Gewöhnungseffekt ein und man spürt, dass die Bewegung gut tut – am ganzen Körper."
Blutzucker steigt, Fett breitet sich aus
Nach Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO liegt das Bewegungsminimum bei fünfmal wöchentlich 20 bis 30 Minuten. Wer mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt oder regelmäßig mit dem Hund rausgeht, könne dieses untere Limit schnell erreichen, sagt Professor Froböse: "Trotzdem zeigen Umfragen, dass 75 Prozent der Bevölkerung sich deutlich weniger bewegen."
Mit fatalen Folgen: Übergewicht und Bewegungsmangel lassen jede Zelle des Körpers im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen. Professor Martin Halle, ärztlicher Direktor für Prävention und Sportmedizin an der Technischen Universität München, sagt: "An untrainierten und übergewichtigen Menschen lassen sich die Folgen für die Gesundheit deutlich ablesen. Sie haben eine geringere Muskelmasse und eine verminderte Funktion der Organe, zeigen Stoffwechselstörungen durch erhöhte Blutzucker- und hohe Blutfettwerte."
Sport pflegt auch die Seele
Wer regelmäßig auf sein Fahrrad steigt, schwimmen oder laufen geht, senkt diese Risikofaktoren nachweislich. Bei jeder sportlichen Anstrengung beschleunigt sich die Herzfrequenz, die Gefäße und Organe werden mit mehr Blut und Sauerstoff versorgt. Ob Diabetes, Herzinfarkt, Krebs, Demenz, Alzheimer, Autoimmunerkrankungen oder Osteoporose: "Alle Patienten profitieren von gezieltem Training", sagt Halle, der in seinem 2012 erschienenen Ratgeberbuch "Zellen fahren gerne Fahrrad" Bewegungstipps für Einsteiger und Fortgeschrittene gibt. Dabei beuge die Bewegung körperlichen Leiden nicht nur vor: "Interessanterweise ist sie auch ein wirksames Mittel, um Krankheiten zu bekämpfen, wenn sie schon ausgebrochen sind."
Professor Froböse warnt: "Wer sich keine Zeit für Bewegung nimmt, muss sich viel Zeit für seine Krankheiten nehmen." Körperliche Inaktivität könne auch seelische Leiden hervorrufen: "Bewegungsmangel macht den Kopf müde und fördert Depressionen." Wer den inneren Schweinehund überlistet und sich bewegt, stärke dagegen sein inneres Gleichgewicht: "Sport fördert nachweislich die Stressresistenz und hebt die Stimmung."
Tripp-Trab-Laufen
Zum Marathonläufer muss dafür niemand werden, tägliches Spazierengehen reicht schon aus. "Dabei aber nicht bummeln, sondern zügig marschieren", rät Froböse. Wer nicht nur Herz- und Kreislauf, sondern auch den Fettstoffwechsel ankurbeln will, kann sich am "Tripp-Trab-Laufen" probieren. Hier wird zwischen langsamen und schnellen Jogging-Einheiten gewechselt. "Das Laufen bei unterschiedlichem Tempo ist eine optimale Belastungsform für Einsteiger", sagt Professor Halle. "Allerdings müssen dafür die Knie orthopädisch intakt sein." Eine gute Alternative zur Senkung des Übergewichts sei gelenkschonendes "Aqua-Jogging".
dapd