München/Witten/Herdecke (dapd). Lange schnurgerade Flure, unzählige Türen in immer der gleichen Farbe und umherhuschende Menschen in weißen Kitteln – ein Krankenhaus kann einschüchtern und oft finden sich schon geistig gesunde Menschen hier nur schwer zurecht. Für Menschen mit Demenz, die eine vertraute Umgebung dringend brauchen, kann ein Klinikaufenthalt schlimme Folgen haben. "Die Krankenhäuser sind nicht auf diese Patientengruppe eingestellt und sind deswegen oft überfordert", sagt Prof. Ingo Füsgen, Geriater der Universität Witten/Herdecke. Die Untersuchungen und Behandlungen könnten die Verwirrung der Betroffenen weiter steigern. Etwa die Hälfte aller Alzheimerpatienten entwickelten im Krankenhaus ein Delir, also einen Verwirrtheitszustand. Nicht selten führe der Weg vom Krankenhaus dann direkt in ein Pflegeheim.
"Alles im Krankenhaus ist fremd und verwirrend und das macht den Demenzkranken Angst", sagt auch Christine Zarzitzky, Geschäftsführerin der Alzheimer Gesellschaft München. Menschen mit Demenz könnten sich meist nicht kurzfristig auf eine neue Umgebung einstellen. "Sie verstehen nicht, wo sie sich befinden und warum", sagt die Pädagogin und Mediatorin. Nicht zu verstehen, was vor sich gehe, erzeuge ein Gefühl von Hilflosigkeit, was wiederum zu starker Unruhe und Abwehrverhalten führen könne. Um das möglichst zu vermeiden, sollten die Angehörigen von Demenkranken sich vor dem Klinikaufenthalt mit dem Personal in Verbindung setzen.
Nicht sinnvoll sei es, frühzeitig mit den Demenzpatienten selbst über den anstehenden Krankenhausaufenthalt zu sprechen, sagt Zarzitzky. Das verwirre die Patienten nur und mache ihnen Angst. Besser sei, vorab zu klären, ob es in der Klinik eine spezielle Betreuung oder eine eigenes Fachgebiet für Demenzkranke gibt. "Wenn Sie die Klinikwahl haben, entscheiden Sie sich für eine Klinik mit gerontologischer Abteilung", rät die Alzheimer-Expertin. Die meisten Kliniken seien aber noch nicht auf Demenzkranke eingestellt. Und oft haben die Angehörigen auch keine Wahl, müssen sich für das nächstgelegene Krankenhaus entscheiden.
"Klären Sie dann, ob die Klinik wisse, dass Demenzpatienten zum Beispiel nicht aktiv mitarbeiten können", rät Zarzitzky. Ob sie damit umgehen könnten, dass man Menschen mit Demenz nicht einfach das Essen oder ihre Medikamente hinstellen oder ihnen sagen könne, wann sie wo bei welcher Untersuchung sein müssten. Wer vorher den Kontakt suche, könne das Klinikpersonal über den Patienten und seine Besonderheiten informieren, das sei auch laut Füsgen wichtig, denn vor allem dem Pflegepersonal komme bei der Betreuung von Demenzkranken eine besondere Bedeutung zu.
"Demenzkranke benötigen mehr Zeit und eine intensivere Begleitung", sagt Füsgen. Die Angehörigen sollten daher die Pflegekräfte etwa über den Tagesablauf, körperliche Einschränkung, Sprachverständnis und Sprechfähigkeit informieren, rät Zarzitzky. Je mehr die Pfleger und Schwestern auf den Patienten eingehen könnten, desto reibungsloser könne die Zusammenarbeit funktionieren. "Es gibt spezielle Fragebögen für Angehörige von Demenzkranken, die alles abdecken – von der Herkunft über Essensvorlieben bis zu den Medikamenten", sagt Zarzitzky. Das sei ein guter Anhaltspunkt für die Pflegekräfte, zu denen die Angehörigen einen engen Kontakt suchen sollten, um ihnen auffällige Verhaltensweisen des Patienten zu erklären und damit Verständnis für seine Situation schaffen.
Einige Krankenhäuser bieten den Angehörigen von Demenzpatienten auch Hilfe an. "Der Krankenhaussozialdienst steht Angehörigen beispielsweise während des Klinikaufenthalts beratend zur Seite", sagt Zarzitzky. "Besprechen Sie mit der Klinik, ob sich ehrenamtliche Helfer kümmern und ob die Angehörigen bei den Patienten übernachten dürfen." Sehr hilfreich seien ehrenamtliche Helfer, die sich stundenweise um Demenzkranke kümmern. "Doch diese Angebote sind in den deutschen Krankenhäusern noch längst kein Standard", sagt Zarzitzky. Viele Kliniken sind noch nicht auf die Unterstützung durch Ehrenamtliche ausgerichtet und so sei es für Demenzpatienten gut, wenn die Angehörigen es schafften, so viel Zeit wie möglich mit ihnen in der Klinik zu verbringen.
dapd