Der Verdacht, dass auch in Deutschland
Fertiglasagne mit Pferde- statt Rindfleisch in den Regalen liegt,
sorgt für Empörung. So richtig wundern dürfte das aber nur die
wenigsten Bundesbürger.
München (dapd). Der Verdacht, dass auch in Deutschland
Fertiglasagne mit Pferde- statt Rindfleisch in den Regalen liegt,
sorgt für Empörung. So richtig wundern dürfte das aber nur die
wenigsten Bundesbürger. Denn schon vor dem Skandal fühlten sich 72
Prozent der Verbraucher von der Lebensmittelindustrie häufig
getäuscht und an der Nase herumgeführt, wie die jüngste Studie des
Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) von Ende Januar
ergab.
Tatsächlich halten nach Ansicht von Verbraucherschützern
unzählige Produkte nicht das, was auf der Verpackung so vollmundig
und appetitlich bebildert angekündigt wird. Von wegen Erdbeerquark
mit „extra viel Frucht“, Apfelkuchen „aus unserer Region“,
Schafskäse „nach traditioneller Art“: Da werden beispielsweise
Früchte in Joghurt oder Quark durch kostengünstige Aromen ersetzt.
Ein Gramm Aroma kann etwa einem Kilogramm Lebensmittel den
Wunschgeschmack geben. Das ist erlaubt und gilt sogar für
Tiefkühlobst, eingelegte Gurken, Margarine oder Fischkonserven.
In der Putensalami steckt vor allem Schweinefleisch drin, in der
Hühnersuppe kein Stückchen Huhn, im Rucola-Pesto vorrangig
Petersilie und im Wellness-Wasser wiederum Aroma. Der Maracujasaft
strotzt nur so vor Orangenextrakt, der vermeintlich griechische
Schafskäse ist aus der billigeren Kuhmilch gemacht und die Äpfel auf
dem Kuchen stammen garantiert nicht aus der Heimatregion.
Die vielen Mogeleien und Irreführungen häufen sich, wie Armin
Valet von der Hamburger Verbraucherzentrale berichtet. „Das
verunsichert die Konsumenten und nervt.“
Zwtl.: Schinken- und Käseimitate auf Pizzen
Nicht einmal auf Angaben wie „ohne Konservierungsstoffe“, „ohne
Geschmacksverstärker“ oder „ohne Farbstoffe“ ist Verlass, wie
Verbraucherschützer warnen. Damit werde Getränken, Milchprodukten,
Tiefkühlkost oder Fertiggerichten nur ein natürliches Image
angeheftet. Mehr steckt nicht dahinter. Was die Täuschungsmanöver
entlarven kann, ist ein Blick auf die Zutatenliste. Die muss in
vollständig sein.
„Gang und gäbe“ seien inzwischen auch Billigimitate, betont
Ernährungsexperte Valet. Nachbauten machen Essen billiger.
Angefangen hat der Trend mit „Analogkäse“. Das Imitat sieht aus und
schmeckt wie Käse, hat mit dem Naturprodukt aus Milch aber wenig zu
tun. Es wird preisgünstig kreiert aus Eiweiß, Pflanzenfetten,
Verdickungsmitteln, Geschmacksverstärkern, Aroma- und Farbstoffen.
Dazugekommen sind mittlerweile jede Menge Schinkenimitate, in denen
nur noch etwa 60 Prozent echtes Fleisch drin steckt. Der Rest
besteht aus Wasser, Binde- und Verdickungsmitteln. Analogkäse und
Schinkennachbauten sind auf Pizzen und in Nudelgerichten zu finden –
in Fertigessen wie auch in der Gastronomie. Käseimitate zieren
häufig auch überbackene Brötchen oder Laugenstangen.
Außerdem im Angebot: Nachgeahmte Garnelen, Surimi genannt. In dem
laborgeformten, gefärbten und aromatisierten Fischbrei ist von
Garnelen keine Spur zu finden. Trotzdem landet er in
Meeresfrüchtecocktails. Grundsätzlich sind Imitate erlaubt – solange
sie als solche ausgewiesen werden. Nur: Die Lebensmittelüberwachung
der Länder findet immer wieder falsch deklarierte Produkte, auch in
der Gastronomie, wie Valet kritisiert. Verbraucher haben nur dann
eine Chance zu merken, was sie sich einverleiben, wenn Händler und
Gastronomen fair sind.
Zwtl.: Von wegen Steak
Zur Trickkiste gehört auch „Klebefleisch“: Das Enzym
Transglutaminase macht es möglich, Fleischfetzen zu einem ganzen
Stück zusammenzufügen. Es wird aus einem Bakterium gewonnen, dem
Streptomyces mobaraensis, und vernetzt die Proteinstränge in
Nahrungsmitteln. So entstehen täuschend echt aussehende Scheiben
Rinderfilet, Nussschinken oder Hähnchenfleischschnitzel. Oder eine
Scheibe Fisch aus Resten. Eine neue Qualität der Irreführung, wie
Jutta Jaksche vom vzbv bemängelt. Das Enzym macht auch Würstchen
knackiger, Schinkenscheiben fester und Joghurt haltbarer.
Transglutaminase ist erlaubt, nicht gesundheitsbedenklich und in
der Lebensmittelindustrie neuerdings gang und gäbe. Das
Ausgangsmaterial für Mogel-Fleisch, die Reste, sind billiger als ein
gewachsenes Stück. Eigentlich müsste es auf der Verpackung
draufstehen, wenn das Enzym im Spiel war. Auch in Metzgereien,
Gaststätten und Kantinen muss informiert werden. Nur halten sich
Erzeuger, Handel und Gastronomie vielfach nicht daran, wie
Verbraucherschützer monieren.
Wer den Tricks nicht auf den Leim gehen will, muss beim Einkaufen
aufpassen wie ein Luchs und das Kleingedruckte über Zutaten und
Mengen möglichst genau studieren. „Aber wer macht das schon beim
Einkaufen“, gibt Valet zu bedenken. Und wenn, wie beim
Pferdefleisch, der Inhalt von vornherein falsch deklariert ist,
haben Konsumenten ohnehin keine Chance, nicht über den Tisch gezogen
zu werden.
dapd.djn/T2013021300765/bj/K2120/pon
(München)