Oviedo (dapd). Nur wenige Kilometer vom Atlantik entfernt ragen die Picos de Europa auf. Die malerischen Berge und grünen Täler werden vor allem von Wanderern geschätzt. Vom Städtchen Las Arenas de Cabrales gelangt man über eine ungewöhnliche Bergbahn in das Herz des größten spanischen Nationalparks.

Irgendwie erinnert es an die Geschichte von Ali Baba. In der Bergwand öffnet sich eine große Tür, aber statt der 40 Räuber dringt ein angenehm kühler Luftzug heraus. An der Kasse entrichtet man etwas mehr als 20 Euro und hat nun das Recht, im kleinen Waggon der Bergbahn Funicular de Bulnes die enge Röhre hinaufzufahren. Tagsüber startet diese "Gebirgs-U-Bahn" jede halbe Stunde vom Parkplatz Poncebos hinauf nach Bulnes. Immerhin mehr als zwei Kilometer in sieben Minuten; überwunden wird ein Höhenunterschied von 400 Metern, eine Steigung von 18 Prozent. Das ist sicher der einfachste, weil direkteste Weg ins Herz der Picos de Europa. Zum Parkplatz gelangt man vom Städtchen Las Arenas de Cabrales per Auto oder Bus durch das malerische Tal des Flusses Cares. Ein Schild unterwegs zeigt an, dass man sich nun im Nationalpark der Picos de Europa befindet. Der Name "Gipfel von Europa" soll wohl von Seefahrern stammen, die sich der Iberischen Halbinsel auf dem Atlantik vom Norden näherten und als erstes diese Berge erblickten.

Oben angekommen, öffnet sich wieder eine Tür und entlässt uns in ein bizarres Bergpanorama. Ringsum ragen die Picos auf. Der Weg führt direkt zum Dörfchen Bulnes. Zerfallende Steinhäuser, eine kleine Kirche – unwillkürlich meint man, jeden Augenblick könnten die Krieger des ersten asturischen Fürsten Pelayo hervorspringen, der in dieser Region vor fast 1.300 Jahren den Kampf gegen die maurischen Eroberer der Iberischen Halbinsel aufnahm. Doch der erste Schein trügt, ein Flüsschen entlang ziehen sich kleine Cafés und Restaurants, warten auf die Scharen von Touristen und Bergwanderern. Doch zunächst geht es zum schönsten Fleck des Tales – dem Aussichtspunkt Mirador de Bulnes. Ringsum fliegen Bergdohlen, am Himmel ziehen Adler und Geier ihre Kreise. Die Stille der Berge wird nur ab und an von einem Hahn unten im Dorf gestört.

Aus der Bergkette gegenüber ragt, angestrahlt von der nachmittäglichen Sonne, der Naranjo de Bulnes wie ein überdimensionaler Zahn auf, mit seinen 2.518 nicht ganz der höchste, aber wohl der schönste und bekannteste Berg der Picos. Wer ihn besteigen will, sollte schon etwas Geschick und Zeit mitbringen. Aber hier finden sich viele Wanderpfade. Als schwierig werden auch die etwa 20 Kilometer der Ruta de la Reconquista eingestuft, fast acht Stunden Wanderung, während die 21 Kilometer der Ruta de Cares, weil nur mittelschwer, in guten fünf Stunden zu schaffen sind. Eine Stunde soll man für den schmalen Pfad hinab nach Poncebos brauchen. Bulnes, eines der wenigen spanischen Dörfer, das keine Straßenverbindung hat, wurde erst 1988 an das Stromnetz angeschlossen und ist seit 2000 über die Bergbahn zu erreichen. Zu lange sollte man abends aber nicht im Ort verweilen, denn um 20.00 Uhr fährt die letzte Bahn hinab.

Auf dem Parkplatz von Poncebos sorgt Roberto für Sicherheit. "Die Picos sind für mich das schönste Gebirge Spaniens, nicht nur wegen der Berge, sondern auch der herrlich grünen Täler", sagt der Asturier, der 25 Jahre in Nordrhein-Westfalen verbrachte. "Auch die Tierwelt kann sich sehen lassen – Adler, Geier, Wildschweine, Gämsen, sogar Bären." Ein Blick auf die nahe Bergwelt lässt kletternde Tiere erkennen – allerdings nur Ziegen, die Gämsen scheinen das Getriebe auf dem Parkplatz zu scheuen.

Ein gemütliches kleines Restaurant ist spätabends am Marktplatz von Las Arenas de Cabrales schnell gefunden. Wir sind in Asturien, also heißt es einen Sidra zu bestellen, den einheimischen Apfelwein. Ein Glas? Der Kellner schüttelt den Kopf. Eine Flasche wäre schon wünschenswert, der Wein sei doch sehr preiswert und habe auch kaum fünf Prozent Alkohol. Auf die Gegenfrage, ob er das Getränk, wie im Reiseführer beschrieben, aus einer Höhe von fast einem Meter ins Glas gießen könne, muss der junge Mann allerdings passen. Also greift der Tourist zur Selbsthilfe, nimmt die daneben fallenden Tropfen gern in Kauf. Die Prozedur wird empfohlen, um das gewöhnungsbedürftige Getränk mit Sauerstoff anzureichern und damit trinkbarer zu machen.

Nicht so einfach zu genießen ist auch die eigentliche Spezialität der Gegend – der Queso de Cabrales, ein äußerst deftiger Blauschimmelkäse, den man natürlich probieren sollte – aber lieber in homöopathischen Dosen. Als ein echter Genuss erweist sich Chorizo a la sidra, in Apfelwein gekochte Wurst. Hier hat der Trunk immerhin eine köstliche Verwendung gefunden.

dapd