Die deutschen Autofahrer lassen auch zwei Jahre
nach der Einführung des umweltfreundlichen Superbenzins E10 den
neuen Kraftstoff nicht in die Tanks – und verschenken damit hohe
Millionenbeträge. Inzwischen rät selbst der kritische ADAC den
Autofahrern, den umstrittenen Biosprit zu tanken, falls ihr Auto
dafür freigegeben ist.
Hamburg (dapd). Die deutschen Autofahrer lassen auch zwei Jahre
nach der Einführung des umweltfreundlichen Superbenzins E10 den
neuen Kraftstoff nicht in die Tanks – und verschenken damit hohe
Millionenbeträge. Inzwischen rät selbst der kritische ADAC den
Autofahrern, den umstrittenen Biosprit zu tanken, falls ihr Auto
dafür freigegeben ist. „Bei einem Preisunterschied von in der Regel
vier Cent zum klassischen Superbenzin sind die Einsparmöglichkeiten
hoch“, sagte ADAC-Experte Christian Laberer.
Entwarnung also beim Biosprit von der stärksten Macht der
deutschen Autofahrerlobby. Das sah vor zwei Jahren bei der
Einführung ganz anders aus. Als „Ökoplörre“ wurde der neue
klimafreundlichere Sprit verdammt. Nicht einmal zehn Prozent der
Benziner-Fahrer packten damals E10 in den Tank. Die Industrie hatte
mit einem Anteil von 90 Prozent gerechnet. Das hätte der Zahl der
für E10 freigegebenen Autos entsprochen.
Super E10 enthält zehn Prozent klimafreundliches Bioethanol. Das
bis dahin übliche Super E5 hat nur fünf Prozent davon beigemischt.
Es wurde bei der Umstellung in großen Teilen des Landes im Januar
und Februar 2011 praktisch über Nacht von E10 ersetzt.
Drei große Bedenken gab es bei den Autofahrern aber gegen den
neuen Sprit, der ohne große Werbung eingeführt wurde. 64 Prozent der
Fahrer ärgerte in einer Umfrage des Verbandes der Ölindustrie MWV
der höhere Verbrauch: Weil Bioethanol weniger Energie enthält als
Benzin aus Öl, steigt der Verbrauch. 52 Prozent fürchteten die
angeblichen Motorschäden. Aber 37 Prozent erklärten, nicht
bevormundet werden zu wollen.
Anfang 2011 war dann die Hochzeit der Wutbürger: Der Kampf um den
Stuttgarter Tiefbahnhof fesselte das ganze Land. Offenbar gab es
auch unter Autofahrern solche Gefühle: In Blogs schimpften
Fahrzeughalter, das „Gebräu kommt mir nicht in den Tank“ und so
weiter.
Zwtl.: Teuer für die Konzerne
Für die Ölkonzerne wurde die Verweigerung zum Desaster. Die
Wut-Fahrer wechselten im großen Stil zum teuren Super plus. Das aber
ließ die Benzinversorgung beinahe zusammenbrechen: Es gab nicht
genug Super Plus aus den Raffinerien, die Tankstellen mussten
mehrfach am Tag nachbeliefert werden.
Nach einigen Wochen und einem sogenannten Benzingipfel samt
Wirtschaftsminister in Berlin ruderte die Industrie zurück. Das alte
Super E5 kam wieder an die Tankstellen. Heute können die Fahrer an
den meisten Stationen der großen Ketten zwischen E10 und E5 wählen.
Doch die Autofahrer geben ihre Abneigung gegen den Biosprit nur
sehr langsam auf, wenn überhaupt. Bei den beiden größten deutschen
Tankstellenketten Shell und Aral stagniert der Absatz des auf Druck
der Bundesregierung eingeführten Ökobenzins seit einem Jahr bei etwa
20 Prozent. „Der Autofahrer hat sich entschieden“, sagte
Aral-Sprecher Detlef Brandenburg.
Der Ölverband MWV meldet für 2012 einen bundesweiten Anteil von
14,7 Prozent E10, ein Jahr früher waren es etwa 11 Prozent.
An den meisten Tankstellen ist E10 vier Cent billiger als E5.
Trotzdem bleibt E10 ein Nischenprodukt, obwohl der Autofahrer pro
Tankfüllung etwa 2 Euro sparen könnte.
„Zuletzt hat die Diskussion um Tank oder Teller dem Ansehen von
E10 schwer geschadet“, sagte ADAC-Mann Laberer.
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hatte im August die
Aussetzung des E10-Superkraftstoffs gefordert. Der Sprit stelle
einen „Konflikt zwischen Tank und Teller“ dar. Der Bio-Anteil des
Kraftstoffs wird aus Weizen, Zuckerrohr, Zuckerrüben oder anderen
essbaren Früchten hergestellt. Gerade bei steigenden
Lebensmittelpreisen könne E10 „zu stärkerem Hunger in der Welt
beitragen“, sagte Niebel.
Der ADAC hält die Einschätzung für unbegründet: „Das Bioethanol
für E10 kommt praktisch vollständig aus Europa“, sagte Laberer.
dapd.djn/T2013013151513/ti/pon
(Hamburg)