Trondheim (dapd). Ausgerechnet eine Niederlage führte zum Erfolg. Gespannt folgt das Publikum dem Verlauf des Historiendramas. Die Ränge des ältesten und größten Freilichttheaters Nordeuropas sind bis auf den letzten Platz besetzt. Von Musik begleitet galoppieren Pferde über die Naturbühne. Auch Besucher, die kein Norwegisch verstehen, lassen sich das "Spelet om Heilag Olav" (Spiel vom Heiligen Olav) nicht entgehen, das jedes Jahr Ende Juli die Schlacht von Stiklestad am Originalschauplatz in Szene setzt.

Stiklestad – Ort der Begegnungen

Die Schlacht, bei der der Held am 29. Juli 1030 den Tod fand, ist eine der wichtigsten der norwegischen Geschichte, markiert sie doch den Übergang von der Wikingerzeit ins christliche Mittelalter. Olav II. Haraldsson, König in Norwegen seit 1015, war zu Lebzeiten keineswegs beliebt. Mit brutaler Gewalt hatte er versucht, dem Volk seinen neuen Glauben aufzuzwingen und das Land zu einem christlichen Reich zu vereinen. Erst sterbend gelingt ihm dies. Mit Olavs Heiligsprechung wird Stiklestad, etwa 90 Kilometer nordöstlich von Trondheim in der mittelnorwegischen Region Tröndelag gelegen, ein wichtiges Pilgerziel.

Seit fast 1.000 Jahren ist es ein Ort der Begegnungen geblieben. Heute bietet das Nationale Kulturzentrum hier neben einer Ausstellung vor allem im Sommer Aktivitäten für Groß und Klein an. So geht es auf dem Weg zur Kirche des Ortes vorbei an mittelalterlichen Märkten und Mittelalterhöfen. Dort tauchen Kinder als Wikinger verkleidet spielerisch in die Vergangenheit ein. Das Gotteshaus wurde 1130 an der Stelle des Schlachtfeldes errichtet, wo der Wikingerkönig starb. Die Fresken im Chor stellen Szenen der historischen Schlacht dar. Das Altarbild zeigt Jesus mit einem Schwert in der Hand – wohl die weltweit einzige Darstellung eines kämpferischen Heilands. Die Axt, die Olav tötete, ziert bis heute das norwegische Staatswappen.

Nidaros-Dom – einer der wichtigsten Wallfahrtsorte Europas

Die in Trondheim über Olavs Grab errichtete Holzkapelle mutierte über die Jahrhunderte nicht nur zu Skandinaviens größtem sakralen Bauwerk. Der Nidaros-Dom gehörte im Mittelalter neben Rom und dem spanischen Santiago de Compostela sogar zu den wichtigsten Wallfahrtsorten Europas. Wie es dazu kam, erzählt Fremdenführerin Nora, während wir die sakralen Figuren über dem Portal an der Westfront des Domes bewundern und uns nicht nur angesichts des 97 Meter hohen Turms ganz klein fühlen.

Olavs Getreue hätten den Leichnam nachts heimlich nach Trondheim geschmuggelt. Kaum ist der Sarg am Fjord in der Erde versenkt, geschehen nicht erklärbare Dinge. Am Ufer entspringt eine heilige Quelle, deren Wasser Schwerkranke auf wundersame Weise heilt. Beim Öffnen des Sarges ein Jahr nach Olavs Tod entströmt Rosenduft. Die Leiche ist nicht verwest. Haare, Bart und Nägel sind weiter gewachsen. Grund genug für Olavs Heiligsprechung.

Neue Pilgerströme auf den St. Olavswegen

Seit einigen Jahren ziehen wieder Pilgerströme die fast vergessenen Pilgerwege entlang. 2010 erhielten sie unter dem Namen St. Olavswege den Status eines europäischen Kulturweges. Schon damals kamen die Pilger nicht nur, um Buße zu tun, sondern auch, um Geschäfte zu machen, Informationen auszutauschen und zu feiern.

Heutzutage finden in Norwegens drittgrößter Stadt das ganze Jahr über zahlreiche Events statt. Aber das größte Ereignis ist immer das Kirchen- und Musikfestival Ende Juli. 2012 veranstaltet Trondheim bereits zum 50. Mal die Olavs-Festtage zu Ehren des Nationalheiligen. Über 600 Künstler wirken am volkstümlichen Programm mit, das an mehr als 20 Veranstaltungsorten Konzerte von Klassik bis Rock, Ausstellungen, Vorträge etc. umfasst.

Dom und Insel Munkholmen mit Kloster

Neben dem Nidaros-Dom besitzt Trondheim, das als Nidaros von 1030 bis 1217 erste Hauptstadt des Landes war, viele Sehenswürdigkeiten. Im Fjord vor der Hafeneinfahrt etwa liegt die kleine Insel Munkholmen, auf der zur Zeit der Christianisierung ein Kloster entstand, das später als Munitionslager und Gefängnis benutzt wurde. Heute kommen die Einheimischen gern zum Sonnenbaden und Schwimmen herüber. Sehenswert ist der Fahrradlift nahe der alten Stadtbrücke. Der Fernsehturm lockt mit Aussichtsplattform und sich drehendem Restaurant. Auch der Blick von der Festung Kristiansten auf Altstadt und Dom lohnt den Aufstieg auf die Anhöhe.

Aber der Dom mit 400.000 Besuchern im Jahr – doppelt so viel wie Einwohner – ist zweifellos die größte Attraktion geblieben. Die Geschichte der an der Flussmündung des Nidelven gelegenen zweitältesten Stadt Norwegens ist eine Geschichte unzähliger Stadtbrände. So stand auch der Dom fünfmal in Flammen, wurde aber immer wieder aufgebaut, erklärt Nora die Tatsache, dass die Figur des Erzengels Michael nun den Kopf von Bob Dylan trägt. "Der Dom darf nie fertig werden, sonst versinkt die Stadt im Fjord", fasst sie die Legende zusammen. Damit dies nie passiert, gebe es in der Fassade eine Steinmetz-Skulptur mit einem Stein in der Hand, der noch nicht eingesetzt ist.

(Die Autorin war auf Einladung von Innovation Norway unterwegs.)

dapd