Ludwigsfelde-Struveshof/Ludwigshafen (dapd). Er küsste einen Mann, dann stürzte er sich von der Brücke. Der Student beendete sein Leben, weil ein Bekannter sein Outing heimlich filmte und an der Rutgers-Universität in New Jersey (USA) durchs Internet verbreitete. Der Fall aus dem Herbst 2010 endete mit einer 30-tägigen Gefängnisstrafe wegen Cyber-Mobbings. Er zeigt, wohin das ausgrenzende Verhalten in extremen Fällen führen kann.

Im Gegensatz zum gewöhnlichen Mobbing finde Cyber-Mobbing rund um die Uhr statt, sagt Michael Retzlaff vom Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) in Ludwigsfelde-Struveshof. Das Internet, soziale Netzwerke und andere Kommunikationsmedien erreichten einen überall und zu jeder Zeit. Es sei schwierig, dagegen vorzugehen, weil die Täter im Internet meist anonym blieben.

"Um sich zu wehren, muss man diese oftmals menschenverachtende Netzaktivitäten öffentlich machen und dabei möglichst professionell unterstützt werden", sagt der Referatsleiter für Medienbildung. Oft endeten Cyber-Attacken, sobald das Opfer nicht mehr alleine sei, also schwerer angreifbar wirke. Deshalb sollten Eltern, Lehrer, Kollegen oder Freunde einbezogen werden. "Jugendliche und Kinder stehen aber oft unter enormen Druck und können eventuell nicht persönlich über Mobbing sprechen", sagt Gudrun Melzer, Referentin für Medienkompetenz bei der EU-Initiative "klicksafe.de". Angebote für eine anonyme und kostenlose Telefonberatung könnten helfen, die individuellen Probleme zu lösen. Melzer empfiehlt, mit den Beratern der "Nummer gegen Kummer" zu sprechen: "Da gibt es Anlaufstellen für Kinder, Jugendliche und Eltern."

Wenn aus Spaß Ernst wird

Immer wieder kommt es vor, dass Cyber-Mobbing eskaliert. Werden die Beleidigungen im Netz zunehmend aggressiver, sollte auch die Polizei einbezogen werden, rät Michael Retzlaff. "Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, Nötigung, Bedrohung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs sind ernstzunehmende Gesetzesverstöße", erklärt er. Bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und Geldstrafen können die Folge sein. "Betroffene sollten die Vorfälle unbedingt dokumentieren. Zum Beispiel Screenshots von Internetseiten machen und SMS aufbewahren. So können Vorfälle leichter geklärt werden", merkt Gudrun Melzer an.

Die Bandbreite von Cyber-Mobbing sei groß, sagt die Medienpädagogin aus Ludwigshafen. Sie reiche von gemeinen Kommentaren in sozialen Netzwerken über SMS-Terror bis hin zur Veröffentlichung peinlicher Videos oder Fotos. "Auch das Hacken von Accounts, die dann zum Rufmord eingesetzt werden, oder Gewalt- und Todesdrohungen können in seltenen Fällen vorkommen", sagt sie.

Um sich dagegen zu wehren, solle man grundsätzlich bewusst und kritisch mit seinen Kommunikationsmitteln umgehen und im Ernstfall sofort reagieren, rät Medienbildungs-Experte Retzlaff: Internet-Accounts sperren, E-Mail-Adressen neu anlegen, Telefonnummern wechseln und Kommentare löschen. In sozialen Netzwerken und Videoportalen helfe es manchmal, den Provider des Netzwerks zu informieren, damit dieser die Accounts der Mobber blockiere. Nicht jeder Anbieter reagiere jedoch auf solche Anfragen, sagt Retzlaff. "Generell sind Anbieter solcher Portale jedoch dazu verpflichtet, gemeldete Inhalte zu überprüfen und gegebenenfalls zu löschen", ergänzt Gudrun Melzer.

Cyber-Mobbing keine Chance geben

Jugendliche sollten im Umgang mit Internet-Diensten stets misstrauisch bleiben, um die Angriffsfläche auf ihre Privatsphäre möglichst gering zu halten, sagt Retzlaff. "In sozialen Netzwerken keine private Details verraten, die Sicherheitseinstellungen überprüfen und nicht jede Freundschaftsanfrage bestätigen", rät er. Manche Nutzer erschlichen sich mit Lügen zu ihrer Person das Vertrauen eines Opfers, um es dann zu mobben. Außerdem sollte man keinesfalls PIN-Codes und Passwörter weitergeben.

Um die eigene Internetpräsenz schon im Vorfeld zu kontrollieren, könne es zudem hilfreich sein, den eigenen Namen im Internet zu suchen, meint Gudrun Melzer von klicksafe.de. Die Täter benutzten jedoch oft Codewörter oder Spitznamen. Konkrete Mobbing-Einträge ließen sich also nur schwer finden.

dapd