Wien (dapd). Er ist das Herzstück der Altstadt, dem Teil Wiens, in dem Glanz und Gloria vergangener Zeiten so richtig spürbar werden: Mächtig erhebt sich der Stephansdom über dem gleichnamigen Platz. Schaut man zu lange hinauf, ist Genickstarre garantiert. Im Jahr 1147 wurde an dieser Stelle das erste Gotteshaus geweiht und nach einem Brand Mitte des 13. Jahrhunderts neu errichtet. Das Riesentor genannte Hauptportal, das seinem Namen alle Ehre macht, stammt aus dieser Zeit. Vieles wurde seitdem an- und umgebaut, der rund 137 Meter hohe Südturm 1443 fertiggestellt. Er bietet eine echte Herausforderung und die wird angenommen. Mit 343 Stufen kreiselt sich im Inneren eine Treppe hinauf und das hört sich nicht nur nach viel an. Es ist auch viel. Unterwegs ist kein Anfang und kein Ende zu sehen, auch im Kopf fängt es langsam an zu kreiseln, aber irgendwann ist man dann bei Meter 73 doch in der Türmerstube angelangt.

Vom Mittelalter bis in die Moderne

Es scheint, als liege einem ganz Wien zu Füßen. Gedämpft dringen die Geräusche des geschäftigen Stephansplatzes hinauf. Viele Menschen sind hier unterwegs, manche eilen, doch die meisten flanieren über den Platz, hinein in die Kärntner Straße oder den Graben, die beliebtesten – und autofreien – Einkaufsmeilen der Stadt. Grün leuchtet die Kupferkuppel der Peterskirche, etwas weiter entfernt ist auch die prachtvolle habsburgische Hofburg zu sehen. Und dann ist da noch ein ganz anderes Gebäude, das ins Auge fällt: das 1990 fertiggestellte Haas-Haus mit seiner Glasfassade, in der sich der benachbarte Stephansdom spiegelt. Ein moderner Konsumtempel, der nicht von allen geliebt wird, aber nun doch irgendwie dazugehört. So ist es häufig in Wien: Altes trifft auf Neues, Tradition auf Trend und das alles ergänzt sich recht gut.

An den Habsburgern kommt man in Wien nicht vorbei. Sie haben die Geschichte und das Aussehen der Stadt über Jahrhunderte geprägt. Das historische Zentrum ist voll von prachtvollen Bauten und Denkmälern aus drei Epochen: dem Mittelalter, dem Barock und der Gründerzeit. Das sucht seinesgleichen und wurde deshalb als UNESCO-Weltkulturerbe geadelt. Auch die den Stadtkern umschließende Ringstraße mit ihren Pracht- und Repräsentationsbauten aus dem späten 19. Jahrhundert gehört dazu. Doch wer in Wien nur von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit hetzt, verpasst so einiges. Es geht lebendig, aber entspannt zu auf den Straßen der Donaumetropole. Davon darf man sich gerne anstecken lassen und in einem typischen Wiener Kaffeehaus einfach mal die Zeit verbummeln.

Kaffeehäuser und Kaiserliches

Kleine Marmortische mit Thonetstühlen, daneben Zeitungen in traditionellen Halterungen, historische Innenausstattung und Kaffee in verschiedenen Varianten, das macht schon seit dem 17. Jahrhundert die Wiener Kaffeehauskultur aus. Die UNESCO erklärte sie im vergangenen Jahr zu einem immateriellen Kulturerbe erklärt, als eine für Wien typische gesellschaftliche Praxis. Die Kaffeehäuser seien ein Ort, in welchem die Gäste Zeit und Raum konsumieren, wo aber nur der Kaffee auf der Rechnung stehe, heißt es in der offiziellen Begründung. Das kann man dann wohl Konsum ohne Reue nennen.

Für Tradition stehen auch die Buchstaben k.u.k., Abkürzung für kaiserlich und königlich. Noch heute weisen Geschäftsleute gerne darauf hin, dass sie einst Hoflieferanten waren und damit Garant für hohe Qualität. 500 dieser Hoflieferanten gab es zum Ende der k.u.k.-Zeit, viele von ihnen mussten im Laufe der Jahre aufgeben. Andere haben es geschafft und freuen sich über illustre Kundschaft. Im Geschäft "Zur Schwäbischen Jungfrau" im Graben Nr. 26 zum Beispiel wird seit bald 300 Jahren edle Tisch- und Bettwäsche verkauft. Es ist weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt.

In der Porzellanmanufaktur Augarten, 1718 gegründet, nach Meißen die zweite in Europa überhaupt, ist noch heute alles handgemacht und handgemalt. Und auch das Juweliergeschäft Köchert verkauft immer noch den Sissi-Sterne, den legendären Haarschmucks der Kaiserin. Das alles hat seinen Preis, doch bei einem ehemaligen Hoflieferanten dürfte auch Otto-Normalverbraucher schwach werden: die Konditorei Demel lockt am Kohlmarkt schon seit 1786 mit allerlei süßen Köstlichkeiten.

Lebendige Trendviertel

Köstliches ist auch auf dem Naschmarkt an der Wienzeile am südwestlichen Rand der Altstadt zu finden. Schon seit dem 18. Jahrhundert gibt es hier einen Markt. Doch traditionell geht es nicht zu – eher international, sieht man sich das Angebot von Buden und Ständen an: Obst und Gemüse, Fisch und Fleisch, Käse, Gewürze und Spezialitäten aus der ganzen Welt. Dazwischen gibt es Cafés und Lokale wie das Naschmarkt Deli, wo regelmäßig DJs auflegen, oder das Studio Kim Kocht, die kleine Dependance der Wiener Haubenköchin Sohyi Kim. Es ist das junge, trendige Wien, das seine Fühler zum Naschmarkt ausgestreckt hat.

Rundherum liegt auf der einen Seite das Freihausviertel mit der Schleifmühlgasse, in der sich Galerien, Boutiquen junger Designer, verschiedenste kleine Shops und Szenelokale aneinanderreihen. Auf der anderen Seite liegt Gumpendorf; in der Gumpendorfer Straße bietet sich ein ähnliches Bild. Und wenn es so weiter geht, ist als nächstes die Kettenbrückengasse dran. Dass gerade hier ein kleines Trend- und Design-Mekka entstanden ist, mag an der Nähe zum Museums-Quartier liegen, das zu den zehn größten Kulturarealen der Welt gehört. Seit 2001 beherbergen die ehemaligen kaiserlichen Hofstallungen das Leopold Museum mit zahlreichen Werken von Schiele, das Museum Moderner Kunst und die Kunsthalle, aber auch Einrichtungen wie das Kindermuseum, ein Tanzquartier und ein Architekturzentrum. Wo Kunst und Kultur so geballt auftreten, kann Kreativität sich entfalten.

dapd