Keitum/Rantum (dapd). Über Austern streiten sich hierzulande die Gourmets: Die einen lieben sie, die anderen finden das glibbrige Meeresgetier unappetitlich. Anders verhält es sich in anderen Ländern: "Die Franzosen zum Beispiel sind seit jeher bekannt für ihre Austernvorliebe. Aber auch in Skandinavien, Großbritannien und Asien schätzt man den delikaten Geschmack des Austernfleisches", sagt Birgit Damer, Autorin des Buches "Austern: Perlen des Meeres".
Jedes Land habe seine Eigenarten bei der Zubereitung der Schalentiere. Während Franzosen Austern am liebsten roh mit Schalottenessig verspeisten, verfeinere man sie in Dänemark gerne mit frischen Himbeeren, klein gehackten Zwiebeln und Schmand. "In Asien werden ausgelöste Austern getrocknet und zusätzlich mit Austernwasser besprüht, um den Eigengeschmack noch zu intensivieren. Man kann sie dann wie Chips essen oder in verschiedenen Gerichten mitgaren", berichtet die Expertin aus Keitum auf Sylt.
Bereits die alten Griechen und später die Römer züchteten die zur Klasse der Muscheln gehörenden Austern. Im 18. Jahrhundert etablierte schließlich Napoleon III. die Austernzucht in Frankreich. "Von ihm stammte auch der Erlass für die Schonzeit der Schalentiere, damit sie im Sommer laichen und genügend Nachwuchs produzieren konnten", sagt Damer – denn Austern laichten nur, wenn das Wasser warm genug sei. Daher komme die Regel, dass man Austern nur in Monaten mit R essen soll.
Heute werden Austern an vielen Küstengebieten der Welt gezüchtet und sind ganzjährig verfügbar. Die in Deutschland erhältlichen Exemplare kommen überwiegend aus Frankreich, Irland, Großbritannien, aber auch von Sylt, berichtet Damer. Die salzig-frischen Schalentiere gibt es bei uns allerdings nur selten im Supermarkt. "In der Regel findet man Austern im Feinkosthandel, in Austernbars oder manchmal auch auf Wochenmärkten", sagt die Autorin. Frische Austern sollte man im Kühlschrank aufbewahren und innerhalb einer Woche verzehren, betont Damer.
"Auch wenn Austern ganzjährig zu bekommen sind – jedes Naturprodukt hat seine Saison. Und genau dann schmeckt es am besten", findet Johannes King, Zwei-Sterne-Koch aus Rantum auf Sylt. Austern, so betont er, sollten klar aussehen, relativ festes Fleisch haben und erfrischend nach Meer schmecken. "Das ist nicht der Fall, wenn Austern laichen. Sie haben dann eine milchige Konsistenz, das Fleisch ist weicher und sie sind nicht so schmackhaft", sagt der Experte. Deshalb verzichteten auch heute noch viele Feinschmecker bis Ende August auf den Verzehr der Schalentiere.
Über den Geschmack einer Auster entscheiden allerdings noch weitere Faktoren: Das Mikroklima im Wasser spiele zum Beispiel eine wichtige Rolle, sagt King. Zudem seien die verschiedenen Austernsorten im Geschmack alle unterschiedlich. "Zu den gängigsten Sorten gehören die Portugiesische Auster – Crassostrea angulata -, die auch unter dem Handelsnamen ‚Fine de Claires‘ zu finden ist, sowie die Pazifische Auster – Crassostrea gigas -, hierzulande auch bekannt als ‚Sylter Royal’", sagt der Autor von "Das Kochbuch von Land und Meer". Beliebt seien aber auch seltene Arten wie die Europäische Auster (Ostrea edulis), die ursprünglich in Europa sehr verbreitet war, bevor sie von anderen Sorten verdrängt wurde.
Wenn es um den Genuss von Austern geht, gehen die Meinungen unter den Kennern auseinander. Für die einen kommt nur die klassische Variante – also roh und pur – infrage. Andere hingegen kreieren die ausgefallensten Speisen mit Austern. Ob als Suppe, Soße, gebacken, frittiert oder pochiert – die Möglichkeiten, die Meerestiere zuzubereiten, sind vielfältig. "Gegarte Austern haben festeres Fleisch, verlieren allerdings etwas an Geschmack", gibt Johannes King zu bedenken. Ein Vorteil beim Garen sei hingegen, dass sich verschlossene Austern dann von alleine öffneten.
"Was zum Beispiel sehr fein schmeckt, sind Austern mit Anisbutter", sagt Birgit Damer. Die Anisbutter mache man aus getoastetem, geriebenem Weißbrot, gemahlenen Fenchelsamen, Butter, einem Schuss Pastis (französischer Anisschnaps), Knoblauch und Salz. Je ein Esslöffel davon wird dann auf die geöffneten Austern gegeben, die stabil auf einem Meersalz- oder Reisbett liegen. Nun überbackt man die Muscheln bei höchster Stufe maximal fünf Minuten, bis eine goldbraune Kruste entsteht. Die Butter könne man je nach Geschmack auch mit Kräutern variieren.
Aber auch rohe Austern lassen sich fantasievoll servieren: Birgit Damer empfiehlt beispielsweise, die Muscheln als Aperitif in einem Schnapsglas zu kredenzen. Außerdem könne man rohe Austern mit verschiedenen Marinaden verfeinern. "Fruchtig-scharfe Aromen passen sehr gut zu den Meerestieren", findet die Sylter Autorin und empfiehlt einen Mix aus geriebenem Ingwer und Apfel oder ein Gazpacho aus pürierten Zutaten wie Wassermelone, Tomate, Gurke, Chili und Ingwer.
Johannes King hält ebenfalls schmackhafte Austernrezepte bereit: Unter Kreationen wie rohe Austern mit Kaviar, mit Kraut und Rüben oder gegarte Austern mit Roter Bete, Meerrettichschnee und Pumpernickel ist für jeden Liebhaber etwas dabei. Besonders schnell und einfach zuzubereiten sei ein Austerntatar: Die ausgelösten rohen Muscheln schneidet man dafür in feine Würfelchen und gibt klein geschnittenen kurz blanchierten Fenchel dazu. Anschließend wird noch Fenchelkraut hinzugefügt und alles mit etwas Pfeffer und Zitronensaft abgeschmeckt.
dapd