Müden/Gummersbach (dapd). Abnehmen, mehr Sport treiben, endlich nicht mehr rauchen oder lernen, mit Depressionen, Diabetes oder Bluthochdruck zu leben. Bei all diesen Vorhaben bieten Gesundheitsprogramme im Internet Unterstützung an und auch immer mehr Hausärzte greifen auf diese Online-Programme zurück.
"Bisher gab es eigentlich keine Möglichkeiten, die Patienten auch außerhalb der Praxis zu begleiten", sagt der Müdener Allgemeinmediziner Carsten Gieseking. Die Gesundheitsprogramme im Netz könnten diese Lücke schließen. Denn sie bieten Therapiemaßnahmen an, die dem Patienten auch jenseits der Sprechzeiten helfen, ihren Lebensstil zu ändern.
Man muss aber unterscheiden zwischen Angeboten von Ärzteverbänden oder Krankenkassen und kommerziellen Angeboten, hinter denen unter Umständen auch Verkaufsinteressen für bestimmte Produkte stehen, zum Beispiel Diätprodukte.
Persönlicher Trainer im Netz
Gesundheitsprogramme im Netz, wie das von Ärzten und Psychologen entwickelte HausMed, lassen sich individuell nutzen. Man steht online in Kontakt mit einem Arzt oder Psychologen, der die persönlichen Bedürfnisse im Trainings- oder Tagesplan berücksichtigt. Vor Beginn des mehrwöchigen Programms füllt der Nutzer dafür einen Fragebogen aus, einen sogenannten Anamnesebogen. Gefragt wird unter anderem, wie alt man ist, unter welchen Beschwerden man aktuell leidet, welche Medikamente man nimmt und wie gesund man sich im Alltag verhält.
"Achten Sie darauf, dass alle wichtigen Informationen abgefragt werden", betont Judith Storf von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland in Bielefeld. Es sollte nach Symptomen, Zeitraum der Erkrankung und Krankheitsverlauf gefragt werden, nach Vorerkrankungen, Medikamenten und der persönlichen Lebenslage. Auch bei Diät-Programmen sollte geklärt werden, ob eine Diabetes-Erkrankung vorliegt. "Basierend auf den Informationen wird ein individuelles Programm zusammengestellt, über das der Patient Informationen, Anregungen und Ratschläge bekommt – zum Beispiel zur Ernährung oder zur Bewegung", sagt Gieseking. "Der Patient kann sich auch eine tägliche Erinnerungs-SMS auf sein Handy schicken lassen und je nach Programm wird er durch Anrufe aus der Praxis motiviert."
Wer sich zum Beispiel das Rauchen abgewöhnen will, bekomme in einer Woche vielleicht die Aufgabe, verschiedene Alternativen zur Zigarette auszuprobieren und sich für seinen Favoriten zu entscheiden. "Durch diese konkreten Anleitungen und die enge Begleitung durch den Hausarzt fällt es vielen einfach leichter, dran zu bleiben", meint Gieseking. Wie immer, wenn Menschen gute Vorsätze haben, könne es funktionieren oder scheitern. Der Mediziner glaubt jedoch daran, dass Online-Coaching der "Impuls zu einer bewussteren und dauerhaften Veränderung" sein kann. Der zeitliche Aufwand sei mit täglich 15 Minuten überschaubar.
Online-Coaching ersetzt nicht den Arztbesuch
"Im Prinzip ist jeder für die Teilnahme geeignet, der einen Internetzugang hat, ein wenig computeraffin ist und bei dem es thematisch passt", sagt Gieseking. Bei Depressionen, wo Online-Coaching häufiger als Überbrückung eingesetzt werde, bis der Patient einen freien Therapieplatz bekommt, "wird das begleitende Programm nur als zusätzliche Maßnahme und mit enger Arztanbindung empfohlen."
Auch die zeitliche und örtliche Unabhängigkeit sei ein Argument für die Teilnahme an einem Online-Gesundheitsprogramm. "Schichtdienstler haben beispielsweise keine Chance, zu immer festen Zeiten wöchentliche Beratungskurse zu besuchen", sagt Gieseking. Ein Gesundheitsprogramm sei eine gute Alternative, die mehr Flexiblität ermöglicht. "Außerdem fehlt in den großen Praxen oft die Zeit etwa für intensive Nichtraucher- oder Abnehmberatung", sagt Gieseking.
Allerdings ersetzten die Gesundheitsprogramme nicht den Arztbesuch. "Jeder Krankheitsverlauf ist unterschiedlich und auch die Lebensumstände des Patienten müssten berücksichtigt werden", sagt Storf. Wende man sich ohne Arztbesuch gleich an einen Online-Coach, sollte man auf jeden Fall Eigendiagnosen vermeiden. "Nur weil ich mich gerade nicht gut fühle, muss die Diagnose nicht gleich Depression heißen", sagt Storf.
Teilnahme ist kostenpflichtig
"Die meisten Programme, mit denen ich arbeite, kosten 79 Euro für drei Monate, also jeden Tag weniger als einen Euro", rechnet Gieseking vor. Coaching-Programme, die bei der Rauchentwöhnung oder beim Abnehmen helfen, seien in der Regel teurer. Storf rät zur Vorsicht: "Manche Anbieter verraten nicht, dass nach dem ersten Kontakt Kosten auf die Nutzer zukommen." Da helfe nur die direkte Nachfrage. Es rät dazu, vorher mit der Krankenkasse zu sprechen. Denn viele Krankenkassen erstatteten einen Großteil der Kosten, wenn die Patienten am Ball bleiben und die Programme kontinuierlich nutzen. "Wie die Kostenerstattung aussieht, muss der Patient im Einzelfall mit seiner Versicherung abklären", sagt Storf.
dapd