San Francisco/Hamburg (dapd). Stress ist gesund – zumindest für Tomaten. Im ökologischen Landbau müssen die Pflanzen sich gegen mehr Umwelteinflüsse verteidigen als in anderen Kulturen. Dazu bilden sie biochemische Substanzen – für den Menschen wertvolle Nährstoffe. Vor allem Vitamin C und Zucker konzentrierten sich in Biotomaten, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachjournal "PLoS ONE" (doi: 10.1371/journal.pone.0056354).
Die Produktion komplexer Nährstoffe – sogenannter sekundärer Pflanzenstoffe – ist für Tomaten mit erhöhtem Energieaufwand verbunden. Meist sind diese Produkte Abwehrreaktionen auf schädliche Umwelteinflüsse. Weil Pflanzen im ökologischen Landbau weniger gegen sie geschützt sind, vermutete das Forscherteam um Maria Raquel Miranda von der staatlichen Universität von Ceará in Brasilien, dass Biotomaten reicher an wertvollen Nährstoffen sein müssten.
Die Forscher sammelten also Früchte von ökologischen und konventionellen Bauernhöfen in Brasilien. Die Anbaubedingungen hinsichtlich Pflanzabständen, Böden und Klima waren vergleichbar, die Höfe nur 1,5 Kilometer voneinander entfernt. Miranda und ihre Kollegen untersuchten anhand von Stichproben Gewicht, Größe und biochemische Zusammensetzung der Früchte.
Biotomaten sind kleiner, aber reichhaltiger
Die ökologisch produzierten Früchte waren durchschnittlich 40 Prozent leichter und 23 Prozent kleiner als ihre Nachbarn aus konventionellem Anbau. Umgekehrt sah es bei den Inhaltsstoffen aus: Biotomaten enthielten 29 Prozent mehr Säure als die anderen Früchte, 57 Prozent mehr lösliche Feststoffe und 55 Prozent mehr Vitamin C. Pflanzliche Phenole, die unter anderem als Antioxidantien die Zellalterung verlangsamen, waren in den Biotomaten um 139 Prozent häufiger vorhanden. Insgesamt wies die Zusammensetzung der Früchte auf ein viel höheres Stresslevel bei den ökologisch produzierten Tomaten hin. "Unsere Arbeit zeigt deutlich, dass Pflanzen aus ökologischer Landwirtschaft tatsächlich kleinere und leichtere Früchte ergeben als solche aus konventionellen Anbausystemen – aber auch eine substanziell bessere Qualität", schreiben die Forscher.
Weshalb die Biotomaten kleiner und leichter waren, könnte zum Teil die Produktion von Antioxidantien zum eigenen Schutz erklären. Denn die Pflanzen sind nicht in der Lage, gleichzeitig in Wachstum und sekundäre Stoffe zu investieren. Die Forscher schließen als weitere Erklärung einen Stickstoffmangel nicht aus.
Kompromiss zwischen gutem Ertrag und Inhaltsstoffen
Der geringere Anteil an sekundären Pflanzenstoffen bei konventionell erzeugten Früchten spricht den Forschern zufolge für die viel diskutierte ökologische Hypothese, dass Pflanzen weitgehend auf sekundäre Pflanzenstoffe verzichten, wenn Nährstoffe im Überfluss vorliegen. Da diese sekundären Pflanzenstoffe für die menschliche Ernährung wertvoll sind, sollten Züchter und Landwirte von dem Dogma abrücken, lediglich den Gewichtsertrag maximieren zu wollen. Die Forscher betonen: Stressfaktoren für die Pflanzen dürften nicht vollständig eliminiert werden.
dapd