Berlin (dapd). Land und Leute kennenzulernen, ist für viele ein wichtiges Reisemotiv. Man will nicht nur am Strand entspannen, sondern auch einen Einblick in die Kultur des fernen Reiselandes bekommen. Immer häufiger gehört dazu auch der Besuch von Armenvierteln, die in vielen Großstädten dieser Welt existieren. Dafür gibt es sogar einen eigenen Begriff: Slumtourismus. "Generell ist es zu begrüßen, wenn Urlauber sich für die Lebensrealität des bereisten Landes interessieren", sagt Antje Monshausen von Tourism-Watch, einer Arbeitsstelle des Hilfswerks Brot für die Welt in Berlin. Und zu dieser gehören eben nicht nur die sogenannten schönen Seiten mit schicken Hotels und Palmenstränden, wie sie in den Reisekatalogen präsentiert werden.

Urlauber sollten diese Viertel jedoch möglichst nicht alleine besuchen, sagt Monshausen: "Ein lokaler Führer hilft dabei, diese andere Lebensrealität zu verstehen und Gesehenes einordnen zu können." Sonst bestehe die Gefahr, dass sich nur Klischees verfestigen. Während es beispielsweise für den Besucher so aussehe, als würden die Anwohner in einem Café die Zeit totschlagen, könne sich dort tatsächlich auch die lokale Arbeitsvermittlung befinden: "Was Urlauber in den ärmeren Vierteln beobachten, lässt sich in der Regel nicht eins zu eins in ihre eigene Erfahrungswelt übertragen." Ein weiterer Vorteil sei, dass durch einen lokalen Führer Begegnungen und Gespräche möglich werden, die man alleine kaum erleben würde.

Touren in Kooperation mit den Anwohnern

Die Tourismusexpertin von Brot für die Welt empfiehlt, sich möglichst schon vor der Reise zu überlegen, ob man einen Slum oder ein Armenviertel besuchen möchte, und sich über das Leben dort und die Angebote für einen Besuch zu informieren. Geführte Touren sollten in Kooperation mit den Anwohnern entwickelt und organisiert worden sein. "Wer eine solche Tour machen möchte, sollte darauf achten, dass die Menschen vor Ort integriert sind und nicht nur vorgezeigt werden", betont Monshausen. Es sei außerdem wichtig, dass die Anwohner selbst bestimmen können, wie viel sie aus ihrem Leben zu zeigen bereit sind. Die Gewinne aus den Touren sollten nicht nur an einen Veranstalter von außerhalb fließen. Ein Restaurantbesuch während der Tour oder ein Einkauf bei ortsansässigen Händlern könne beispielsweise dabei helfen, dass mehr Menschen von dem Besuch profitieren, sagt Monshausen.

Respektvoll handeln

Wichtig sei außerdem, dass der Veranstalter oder der lokale Führer mit Rat und Tat zur Seite stehen und schon vor der Tour möglichst viele Informationen geben. Auch darüber, wie man sich als Besucher gegenüber den Anwohnern respektvoll verhält: "Wird beispielsweise eine Familie besucht, sollte vorher geklärt werden, wie viel Einblick diese den Fremden in ihr Privatleben geben möchte", erläutert Monshausen. Besucher und Anwohner sollten sich immer auf Augenhöhe begegnen. Sensibel muss man in diesem Zusammenhang auch mit der Kamera umgehen: Vor jedem Foto von Menschen oder deren Zuhause steht die Bitte um Erlaubnis.

dapd