London/Hamburg (dapd). Diese Eigenschaft teilen Delfine mit dem Menschen: Sie können vertraute Artgenossen mit einem individuellen Klang rufen, sie also praktisch beim Namen nennen. Denn jeder Große Tümmler entwickelt in der Kindheit eine einzigartige Melodie, die nur er singt. Dieses "Lied" kopieren Artgenossen, um die soziale Bindung untereinander zu stärken. Das berichtet ein internationales Forscherteam im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society B" (doi: 10.1098/rspb.2013.0053).
Stimmliches Lernen ist in der Tierwelt bisher vor allem von Vögeln bekannt. Es handelt sich dabei um die Fähigkeit, Laute zu erlernen, die nicht zu den genetischen Grundzügen einer Art gehören. Evolutionär begründet ist dieses Vermögen vor allem mit der Partnerwahl und der erkennbaren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Daraus bilden sich Gesänge, die typisch für einzelne Verbände von Artgenossen sind. Manche dieser Melodien dienen der Balz, andere drohen möglichen Konkurrenten.
Jeder Tümmler pfeift seine individuelle Melodie
Bei Delfinen der Art Großer Tümmler entwickelt jedes Tier ein individuell moduliertes Pfeifen, das von der akustischen Umgebung in der Kindheit geprägt wird. In freier Natur besteht etwa die Hälfte aller Pfeiftöne aus ganz persönlichen Melodien. Gelegentlich imitieren Artgenossen dieses einzigartige Pfeifen. Das Forscherteam um den Biologen Vincent Janik von der britischen Universität St. Andrews hat nun herausgefunden, was es mit diesem Verhalten auf sich hat.
Bislang diskutierten Verhaltensforscher dazu drei Hypothesen: Das Kopieren könnte die Bindung zu nahestehenden Tieren stärken oder eine aggressive Funktion haben. Es könnte aber auch der Täuschung dienen, beispielsweise wenn Männchen sich Weibchen nähern wollen, die von anderen Männchen bewacht werden. Um diese Vermutungen zu überprüfen, untersuchten die Experten, in welcher Beziehung diejenigen der Tiere zueinander standen, die ihre Pfeifsignale kopieren.
Imitierende Delfine pflegen eine enge soziale Bindung
Die Forscher analysierten zunächst die Laute von insgesamt 121 wilden Artgenossen, die vorübergehend gefangen gehalten wurden. Hauptsächlich stießen die Delfine eigene Pfeifsignale aus. Zwölf von ihnen kopierten allerdings auch Melodien mitgefangener Tiere. Dabei zeigte sich, dass diese Artgenossen in einer engen sozialen Bindung zueinander standen. Meist handelte es sich um Mutter-Kind-Paare, zweimal um männliche Erwachsene derselben Gruppe.
Dann untersuchten die Forscher fünf zusammenlebende Große Tümmler aus einem Delfinarium. Ein Paar – zwei männliche Tiere – kopierte gegenseitig die Klangsignatur. Die Artgenossen waren bereits zuvor durch synchrones Schwimmverhalten aufgefallen. Ein anderes männliches Zweiergespann mit engem sozialen Kontakt kopierte sich allerdings nicht, woraus die Forscher folgerten, dass dieses Verhalten nicht notwendigerweise zum Repertoire männlicher Delfine gehört.
Aggressives oder täuschendes Verhalten im Zusammenhang mit kopierten Pfeiftönen konnten die Wissenschaftler bei keinem der imitierenden Tiere beobachten. Gegen einen Täuschungsversuch sprach auch, dass die "Kopierer" immer eine persönliche Note in das Imitat einbrachten, so dass die Klänge nie exakt identisch waren.
Neben einigen Papageienarten scheinen Große Tümmler somit die einzige Art zu sein, die wie der Mensch imitierendes stimmliches Verhalten anwendet, um soziale Bindungen zu stärken. Biologe Janik und seine Kollegen erklärten, es sei sogar möglich, dass die Tiere die individuellen Laute als Referenzsystem – also eine Art Namen – nutzten.
dapd