Undeloh (dapd). Über der sonnenbeschienenen, sanften Hügellandschaft trällert eine Lerche ihr unverkennbares Lied. Der kleine Singvogel ist in Deutschland immer seltener zu hören, doch in der Lüneburger Heide begegnet man ihm auf Schritt und Tritt. Auch andere selten gewordene Arten wie das Birkhuhn fühlen sich wohl und selbst der Kranich schaut immer öfter vorbei.
Wir sind auf dem insgesamt rund 140 Kilometer langen Freudenthalweg unterwegs, der uns vom südlichen Stadtrand Hamburgs direkt in des Herz des Naturparks Lüneburger Heide bringt. Die abwechslungsreiche Wanderung führt hinter der Stadtgrenze durch Wälder und entlang von Feldern zu kleinen Orten wie Klecken, wo wir einen Abstecher zum Hünengrab im Wald machen. Irgendwann vor rund 5.200 Jahren wurde die Grabkammer angelegt und noch heute sind einige der Steine zu sehen, die sie einst auf 48 Meter Länge und sechs Meter Breite umrandet haben.
Kurz vor Holm-Seppensen kommen wir wieder vom Weg ab. Der lauschige Mühlenteich hat es uns angetan und so laufen wir einmal rundherum, lassen uns von enttäuschten Enten und Gänsen anquaken, die auf Brot gehofft hatten, bewundern bunte Libellen im Schilf und gönnen uns ein Päuschen mit einem erfrischenden Fußbad. Rund zehn Kilometer und die erste Begegnung mit der Heide liegen jetzt noch vor uns. Im Dörfchen Wörme biegt der Freudenthalweg scharf nach rechts, hinein ins Büsenbachtal. Wir müssen unsere erste richtige Steigung überwinden, hinauf auf den Pferdekopf: 79 Metern hoch ist er – das reicht für eine schöne Aussicht über das idyllische Tal und die Wälder ringsum. Genau dort hinein führt der Weg und schließlich nach Handeloh, wo wir unsere erste Nacht verbringen.
Am nächsten Morgen führt der Weg uns in den Naturpark Lüneburger Heide. Er zählt zu den ältesten Schutzgebieten Deutschlands und bewahrt eine jahrhundertealte Kulturlandschaft, wie es sie woanders nicht gibt. Es sind nicht nur die namensgebenden Heidesträucher, die diese Landschaft prägen. Felder, auf denen traditionell Buchweizen wächst, wechseln sich ab mit dichten Laubwäldern, trockenen Heideflächen und nassen Mooren. So wird uns nicht langweilig: wir pflücken Blaubeeren im Wald, bestaunen bunte Schmetterlinge und dicke schwarze Käfer, machen ein Picknick in der Sonne am Rand einer Heidefläche und sehen zu, wie eine Herde der schwarz-grauen gehörnten Heidschnucken mit viel "Mäh" vorbeizieht. Am Wegesrand stehen hier und da kleine reetgedeckte Hütten. Manche stehen leer, andere sind bewohnt. Hier sind Bienen zuhause. Fleißig tragen sie fleißig Nektar in ihre Körbe, aus denen später der beliebte Heidehonig gemacht wird.
Dächer aus Reet sind typisch für die Region und bei Häusern kommt noch reichlich Fachwerk dazu. Wie im Heidedorf Undeloh, etwas abseits vom Freudenthalweg, wo wir übernachten. Undeloh ist das Tor zum autofreien Zentrum des Naturparks. Richtung Süden geht es nur noch zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Pferdekutsche weiter. Dort liegen Wilsede und die großen Heidegebiete mit dem Wilseder Berg und dem Totengrund. Bevor wir uns nach dem Frühstück dorthin aufmachen, statten wir dem Heide-Erlebniszentrum noch einen kurzen Besuch ab. Und erfahren, was es mit der Lüneburger Heide auf sich hat. Dass die über Jahrtausende entstandene Kulturlandschaft ohne Bewirtschaftung schnell wieder komplett zu Wald werden würde. Wodurch nicht nur das Schöne dieser Landschaft verloren ginge, sondern auch wichtige Biotope verschwinden würden, die sich im Laufe der Jahrhunderte gebildet haben. Viele Pflanzen- und Tierarten, die selten vorkommen, wie eben die Lerche, würden ihren Lebensraum verlieren. Da es nur noch wenige Heidebauern gibt, hat deren Aufgabe der Verein Naturschutzpark übernommen.
Seit 1909 kämpft der Verein nun schon für den Erhalt dieser Kulturlandschaft und immer wieder kommen neue Herausforderungen hinzu. Im Moment ist es der Kampf gegen Windmühlen. Denn ausgerechnet am Totengrund bei Wilsede, einem der eindrucksvollsten Täler der Lüneburger Heide mitten im Schutzgebiet, sollen sieben Windräder aufgestellt werden. Der weite unverstellte Blick über die hügelige Heidelandschaft mit ihren Wacholderbüschen und Bauminseln, die ihr Erscheinungsbild eiszeitlichen Gletschern zu verdanken hat, könnte bald ein Ende haben.
In der vereinseigenen Milchhalle in Wilsede stärken wir uns mit einem leckeren Buchweizen-Schmand-Kuchen. Das Heidedorf Wilsede zeigt, wie es früher einmal war. An den kopfsteingepflasterten Wegen stehen historische Fachwerkhäuser mit bunten Bauerngärten davor, überragt von altehrwürdigen Eichen. Es ist ein einziges großes Freilichtmuseum, wobei der offizielle Teil "Dat ole Huus" – das alte Haus – heißt und genaue Einblicke in die Welt der Heidebauern vor 150 Jahren gibt.
Wir ziehen weiter und sehen der größten Herausforderung unserer Wanderung entgegen: der Besteigung des Wilseder Berges. Die aus einer eiszeitlichen Endmoräne entstandene Erhebung bringt es immerhin auf 169 Meter Höhe. Das ist gar nicht mal so schlecht für das norddeutsche Tiefland. Von dort oben geht der Blick auf der einen Seite über dichten Wald, auf der anderen Seite über die Weite der offenen Heideflächen. Das ist unsere Richtung – von hier aus führt der Freudenthalweg 15 Kilometer weiter bis nach Schneverdingen, wo unsere Tour endet.
dapd