London/Hamburg (dapd). Mit dem demografischen Wandel nimmt die Häufigkeit bestimmter Krankheiten zu, die vor allem ältere Menschen betreffen. Dazu gehört die so genannte Makula-Degeneration (AMD). Schäden an der Netzhaut des Auges hindern Betroffene daran, scharf zu sehen – eine Therapie mit Heilchancen gibt es bisher nicht. Wissenschaftler aber haben nun herausgefunden: Vorbeugende Behandlungen könnten den Sehverlust bremsen.
Den Grundstein für eine erfolgreiche Früherkennung hat ein Forscherteam vor Kurzem gelegt. Es konnte eine Gruppe von Erbgutbereichen identifizieren, die das Risiko für AMD maßgeblich beeinflussen. Über ihre Arbeit berichten Lars Fritsche von der Universität Regensburg und seine internationalen Kollegen im Fachmagazin "Nature Genetics" (doi: 10.1038/ng.2578).
Jeder Dritte über 75 ist betroffen
Die altersbedingte AMD zerstört den Teil der Netzhaut, der für das scharfe Sehen zuständig ist. Die Betroffenen erblinden nicht vollständig, können jedoch keinerlei Tätigkeiten mehr ausführen, bei denen sie Details erkennen müssen. Lesen oder Autofahren etwa wird unmöglich. Schätzungen zufolge ist jeder Fünfte über 65 und jeder Dritte über 75 Jahren betroffen. Trotz dieser Häufigkeit sind die Ursachen der Sehstörung bisher nicht ganz geklärt. Sicher ist nur, dass AMD eine erbliche Komponente besitzt – die Gene spielen eine entscheidende Rolle beim persönlichen Erkrankungsrisiko.
Wissenschaftler bringen vor allem drei Gene beziehungsweise deren Variationen mit einem erhöhten Risiko in Verbindung: Zwei von ihnen tragen die Baupläne für Eiweißmoleküle, die beim so genannten Komplementsystem der Immunabwehr eine wichtige Rolle spielen. Das dritte enthält den Plan für ein Protein, das in den Zellkraftwerken, den Mitochondrien, beheimatet ist. Weitere neun Erbgutbereiche scheinen ebenfalls das Erkrankungsrisiko zu beeinflussen. Welche Rolle sie allerdings genau bei AMD spielen und warum Immunsystem oder Mitochondrien in diesem Zusammenhang wichtig sind, ist unklar.
Forscher identifizieren sieben neue Risikofaktoren
Dafür konnten die Wissenschaftler um Fritsche die Gruppe der Risikogene nun um sieben bisher unbekannte Erbgutbereiche erweitern. Dazu hatte das Team aus 18 internationalen Forschergruppen – das selbst ernannte AMD-Konsortium – die Daten früherer Studien erneut ausgewertet. Insgesamt erfassten die Experten über 17.000 Erkrankte und mehr als 60.000 gesunde Probanden. Die Ergebnisse hätten zum einen die bisher bekannten 12 Risikofaktoren bestätigt, zum anderen die sieben neuen Erbgutbereiche aufgedeckt, schreiben die Wissenschaftler.
Einige dieser Bereiche liegen in der Nähe von Genen, die ebenfalls zum Komplementsystem der Immunabwehr gehören. Andere sind vermutlich für den Fettstoffwechsel und die Neubildung von Blutgefäßen zuständig. Insgesamt machten diese 19 Erbgutstücke bis zu 65 Prozent des genetischen Anteils beim Erkrankungsrisiko aus. Das sei für eine komplexe Krankheit ungewöhnlich viel, betonen die Forscher. Die Aussagekraft sei daher so groß, dass es damit bereits möglich sein könnte, Risikopatienten vor dem Ausbruch der Erkrankung zu identifizieren. Ärzte könnten daraufhin vorbeugende Maßnahmen ergreifen, um die Krankheit zu verhindern oder zumindest ihren Ausbruch zu verzögern. Dazu gehört beispielsweise, Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, einen Mangel an bestimmten Vitaminen im Blut oder zu viel UV-Licht zu minimieren. Zusätzlich bieten die neuen Ergebnisse weitere Ansatzpunkte für neue Therapien. Daher wollen die Forscher nun die Funktionen der beteiligten Gene genauer analysieren.
dapd