Biebergemünd/Ludwigshafen/Mannheim (dapd). Der Übergang auf eine weiterführende Schule bedeutet für Kinder und Eltern eine Umstellung. Die 11- oder 13-Jährigen müssen sich auf neue Lehrer, Klassenkameraden und längere Fahrwege einstellen. Wer aufs Gymnasium wechselt, wird oft einem starken Leistungsdruck ausgesetzt, mit dem Kinder und Eltern erst zurechtkommen müssen. "Der Übertritt in die Sekundarstufe ist ein entscheidendes Ereignis, für das Kinder Zeit und die Geduld der Eltern brauchen", sagt Sandra Rausch, Landesbeauftragte der Sektion Schulpsychologie des Berufsverbands Deutscher Psychologen (BDP) in Mannheim. "Eltern sollten sich nicht sorgen oder gar Druck aufbauen, wenn ihre Sprösslinge nicht gleich nach einem Monat Fuß gefasst haben. Manche Kinder brauchen ein Schuljahr, um an der neuen Schule richtig anzukommen", stellt sie klar.

Die beste Vorbereitung ist ihrer Ansicht nach die Auswahl des passenden Schultyps. Bei der Entscheidungsfindung sollten Eltern darauf achten, was die einzelnen Schularten fordern und ob dies mit den Fähigkeiten und Ressourcen des Kindes vereinbar ist. "Die Unterschiede zwischen den Schulformen liegen in erster Linie in der Art der Vermittlung und der Menge des Lernstoffs. Haupt- und Werkrealschulen sind eher praktisch ausgerichtet, die Realschule ist schon eher sprachlich orientiert, hat aber noch einen starken Alltagsbezug. Das Gymnasium dagegen stellt eher abstraktes und theoretisches Wissen in den Vordergrund. Dort wird vorausgesetzt, dass die Kinder zu einem guten Teil eigenständig arbeiten", erläutert die Mannheimer Schulpsychologin.

Zu hohe Erwartungen verunsichern Kinder

Birgit Jackel, Lehrerin und Erziehungswissenschaftlerin aus dem hessischen Biebergemünd, mahnt bei der Auswahl des Schultyps vor überhöhten Erwartungen, die Kinder nur unzureichend erfüllen können. Dies verunsichere sie, schwäche ihr Selbstwertgefühl und beeinträchtige mitunter ihr Lern- und Sozialverhalten. Sie hält es für sinnvoll, Kinder in die Entscheidung bei der Auswahl der neuen Schule mit einzubeziehen.

Am besten gerüstet seien Grundschüler, wenn sie in den ersten vier Jahren ihr Lernverhalten und ihre Lernstrategien so entwickelt haben, dass sie selbstständig, zielorientiert und gruppendienlich arbeiten können. Jackel empfiehlt, Kinder in der Sekundarstufe an ein tragbares Zeitmanagement heranzuführen. So sollten zum Beispiel Hausaufgaben in Fächern, die erst in drei Tagen wieder auf dem Stundenplan stehen, an hausaufgabenarmen Tagen erledigt werden, damit die Aufgaben sich nicht häufen.

Durch Lob erwacht Lernfreude

Mitunter seien zunächst Kontrollen und eventuell sogar exakte Zeitfenster-Vorgaben für eine Verteilung der Hausaufgaben über die Wochentage seitens der Eltern zielführend. Bei Erfolg reiche später eine stichprobenartige Unterstützung. Eltern sollten ihre Kinder dabei stets positiv begleiten und für Erfolge loben. "Lob erzeugt ein förderliches Lernklima und erweckt in Kindern den Wunsch nach noch mehr Lernerfolg und Anerkennung", erklärt die Pädagogin. Damit stiegen Anstrengungsbereitschaft und Leistung.

Von Übungsdruck im Vorfeld und während der ersten Monate raten Experten generell ab. "Eine innere Motivation baut sich nicht auf, wenn man von außen ständig angeschubst wird", sagt Rausch. Das bedeute aber nicht, überhaupt keinen Anteil zu nehmen. Eltern können sich für den Schulstoff interessieren, auch Vokabeln abfragen. Sie sollten selbstständiges Arbeiten unterstützen, indem sie zum Beispiel nicht auf Fehler tippen, sondern das Kind selbst erst einmal suchen lassen. Das fördere die Fähigkeit, Probleme zu lösen.

Ferien sind zum Entspannen da

Gerade in den ersten Wochen sei es besser, den Leistungsaspekt nicht in den Vordergrund zu stellen, sagt Rausch. Sie erinnert daran, dass Kinder plötzlich mit einem viel größeren Organisationsaufwand konfrontiert werden, für den sie erst einmal Routine entwickeln müssen. Da könne es auch mal vorkommen, dass eine Hausaufgabe oder ein Arbeitsmaterial vergessen wird. Statt zu tadeln oder mit Strafen zu drohen, sollten Eltern gemeinsam mit dem Kind überlegen, woran es lag und was in Zukunft besser zu tun ist.

Die Ferien vor dem Übertritt sollten die Familien zur Erholung und nicht zum Pauken nutzen. "Ob vermutete Wissenslücken sich nach den Ferien tatsächlich als solche erweisen, sollten Eltern getrost abwarten", rät der Schulpsychologe Karl Gajewski vom Pädagogischen Landesinstitut Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen. Überhaupt sei der Fokus nicht übermäßig auf Noten zu legen, sondern auf persönliche Eigenschaften wie Fleiß, Ausdauer oder Anstrengungsbereitschaft. Habe ein Kind geübt und sein Bestes gegeben, müsse es gelobt werden, lange bevor es dafür eine Note gibt.

Nach und nach zur Selbstständigkeit

Statt Übungsdruck benötigten Kinder ein familiäres Umfeld mit positiver Lebenseinstellung und entspannter Atmosphäre, das ihnen Sicherheit gibt und dazu beiträgt, ihre Persönlichkeit zu entfalten, sagt Jackel. Benötigen Kinder anfangs noch eine engmaschige Betreuung, zum Beispiel bei den Hausaufgaben, sollten Eltern diese allmählich zurückfahren, wenn sich Erfolge einstellen. "Nur dann können selbstständig handlungsfähige Menschen heranwachsen."

dapd