London (dapd). Der Klimawandel sorgt schon heute für Einbußen in der Wirtschaft: In den heißesten Monaten liegt die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer aktuell nur noch bei etwa 90 Prozent des theoretisch möglichen Werts und damit deutlich niedriger als noch vor wenigen Jahrzehnten. Das haben amerikanische Forscher jetzt berechnet. Verantwortlich dafür ist vor allem die zunehmende Feuchtigkeit in der Luft, die die höheren Temperaturen besonders belastend macht.
Wird die Entwicklung nicht gestoppt, könnte die Arbeitskapazität bis 2050 auf 80 Prozent zurückgehen und bis 2200 könnte sie im schlimmsten Fall sogar auf unter 40 Prozent absinken. Betroffen wären dabei nicht nur die Tropen, sondern auch der größte Teil der gemäßigten Klimazonen, schreiben John Dunne von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) in Princeton und seine Kollegen im Fachblatt "Nature Climate Change" (doi: 10.1038/nclimate1827).
Menschen können durchaus längere Zeit bei sehr hohen Temperaturen von 35 Grad oder mehr gute Leistungen bringen – sie besitzen schließlich ein effektives Kühlsystem, bei dem auf der Haut verdunstender Schweiß die gefühlte Temperatur deutlich reduziert. Das funktioniert allerdings nur dann gut, wenn die Luft relativ trocken ist. In feuchterer Luft belasten dagegen bereits niedrigere Temperaturen den Kreislauf und verringern die Arbeitsleistung. Das könnte zum Problem werden, da für die Zukunft nicht nur steigende Temperaturen im Rahmen des Klimawandels erwartet werden, sondern auch zunehmende Luftfeuchtigkeit.
Gefühlte Temperatur statt herkömmlicher Messwerte
Um zu berechnen, wie sich das auf die Produktivität der Menschen auswirken wird, reiche es nicht aus, mit den normalen Temperaturangaben zu rechnen, merken die Wissenschaftler an. Denn diese geben nur die reine Lufttemperatur wieder. Stattdessen sollten Hitzeindizes verwendet werden, bei denen die Luftfeuchtigkeit und/oder die gefühlte Temperatur mit berücksichtigt werden. Ein solches Maß ist der sogenannte WBGT-Index, der bereits in der Industrie, bei Sportereignissen und beim Militär verwendet wird, um zumutbare klimatische Bedingungen am Arbeits- oder Trainingsplatz zu definieren und Grenzwerte festzulegen, bis zu denen keine oder nur eine geringe Gefahr der Überhitzung besteht.
Auf diesem Index basieren nun auch die Berechnungen von Dunne und seinen Kollegen. Sie werteten dazu einerseits historische Klimadaten aus, um die frühere Arbeitskapazität zu bestimmen, und nutzten andererseits Modelle, um selbige für die Zukunft vorauszuberechnen. Die Vorhersagen führten sie einmal auf Basis eines Klimamodells durch, bei dem der vorhergesagte Temperaturanstieg bis 2100 dank verringerter Treibhausgasemissionen nicht mehr als zwei Grad betragen wird. Eine zweite Simulation erfolgte auf Basis des Worst-Case-Szenarios mit einem Anstieg von 3,4 Grad bis 2100.
Grenzwerte immer häufiger erreicht
Während zwischen 1948 und 1987 maximal vier bis acht Prozent Arbeitsleistung im Sommer verloren gingen, waren es nach 1990 schon zwischen sechs und zehn Prozent, wie die Analyse zeigte. Bereits jetzt geht der Klimawandel also mit einem Verlust an Arbeitskraft einher. Bis 2050 werden sich diese Werte etwa verdoppeln und bis 2100 wird der Verlust selbst im besten Fall bei etwa 25 Prozent liegen. Steigt die Temperatur noch stärker, sinkt die Arbeitsleistung gar auf 63 Prozent bis 2100 und auf 39 Prozent im Jahr 2200. Besonders betroffen werden dabei Südostasien, der Südosten der USA und Nordaustralien sein. Konkret bedeute das, dass man zur nächsten Jahrhundertwende Bedingungen, wie sie heute in Indien herrschen, im größten Teil Eurasiens erwarten könne, erläutert das Team. Wird der Treibhausgasausstoß nicht reduziert, wäre die Veränderung noch größer: In Washington wäre es dann im Hochsommer feuchter und wärmer als heute in New Orleans und in New Orleans schlimmer als heute in Bahrain.
Natürlich sei das noch ein relativ grobes Modell, in dem viele Faktoren gar nicht berücksichtigt seien, räumen die Forscher ein. Wie sich die Treibhausgasemissionen entwickeln werden, sei dabei ebenso ungewiss wie der tatsächliche Temperaturanstieg. Auch die Bevölkerungsverteilung könnte sich deutlich verändern, was ebenfalls die Werte verschieben würde. Schließlich sei auch nicht erfasst, dass die Arbeitsleistung in manchen Gebieten dank des Klimawandels sogar steigen könnte, etwa dort, wo es heute zu kalt für effektive Arbeit ist. In einem nächsten Schritt sollen genauere Modelle eine bessere Auflösung liefern, damit möglichst schnell effektive Gegenmaßnahmen ergriffen werden können.
dapd