Washington (dapd). Du bist, was dir gefällt: Der "Gefällt mir"-Knopf bei Facebook – eine Art Empfehlung bestimmter Online-Inhalte an Facebook-Freunde – verrät viel über die Persönlichkeit der Nutzer. Ein Computerprogramm kann auf diese Weise Alter, Intelligenzquotient, ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Drogenkonsum und politische Ansichten der Facebook-Nutzer ermitteln. Das berichten Forscher im Wissenschaftsmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.1218772110).
58.000 Facebook-Nutzer aus den USA nahmen an der Studie teil. Durchschnittlich hatten die Teilnehmer 170 Mal "Gefällt mir" geklickt. Anhand von Fragebögen erfasste das Team um den Sozialpsychologen Michael Kosinski von der Universität Cambridge in Großbritannien Persönlichkeitsmerkmale der Teilnehmer. Ein von den Forschern geschriebenes Computerprogramm versuchte anschließend, für bestimmte Merkmale typische "Gefällt mir" zu ermitteln. Auf diese Weise kann das Programm im Umkehrschluss bestimmten Mustern bei den "Gefällt mir" bestimmte Persönlichkeitsmerkmale der Nutzer zuordnen.
Homosexualität in neun von zehn Fällen erkannt
In 93 Prozent der Fälle lag das Programm beim Geschlecht der Nutzer richtig. Heterosexuelle und homosexuelle Männer hielt es mit 88-prozentigem Erfolg auseinander. Bemerkenswert dabei: Weniger als fünf Prozent der Homosexuellen hatten offensichtliche "Gefällt mir" vergeben wie beispielsweise für "Homo-Ehe". Die Software bezog ihre Ergebnisse vielmehr aus der Summe weniger aussagekräftiger, aber beliebter "Gefällt mir" zu Musik oder Filmen.
Zwischen afrikanischen und europäischen Wurzeln unterschied das Programm zu 95 Prozent erfolgreich. In 85 Prozent der Fälle identifizierte es Vorlieben für Republikaner oder Demokraten korrekt. Christen und Muslime ordnete es mit 82-prozentigem Erfolg richtig zu. Bei drei von vier Nutzern erfasste es den Drogenkonsum korrekt, und auch den Beziehungsstatus konnte das Programm bei zwei von drei Teilnehmern richtig ermitteln.
Werbebranche begrüßt bereits 60 Prozent Genauigkeit
Kosinski und seine Kollegen weisen darauf hin, dass selbst Vorhersagen relevant sind, die knapp über der Zufallswahrscheinlichkeit von 50 Prozent liegen. So ermittelt das Programm mit 60-prozentigem Erfolg das wenig offensichtliche Merkmal, ob sich die Eltern des Nutzers vor dessen 21. Lebensjahr getrennt haben. Für Werber sei das immer noch eine hinreichend wertvolle Information. Selbst komplexe Merkmale wie IQ oder emotionale Stabilität analysierte die Methode ebenso verlässlich wie etablierte Persönlichkeitstests.
"Ich bin ein großer Fan und aktiver Nutzer neuer, faszinierender Technologien, einschließlich Facebook", erklärt Kosinski. Er begrüße automatisierte Buchempfehlungen und die Auswahl relevanter Meldungen durch Facebook. "Trotzdem kann ich mir Situationen vorstellen, in denen dieselben Daten und dieselbe Technologie genutzt werden, um politische Anschauungen oder sexuelle Orientierung vorherzusagen – was eine Bedrohung für Freiheit oder sogar Leben darstellen könnte", resümiert Kosinski.
Vergleichbare Vorhersagen könnten mit allen möglichen digitalen Spuren erstellt werden, warnen die Forscher. Da Internetnutzer an immer mehr Stellen ihre Spuren hinterlassen, sei es als Individuum kaum zu kontrollieren, welche Informationen verborgen bleiben sollen.
dapd