Kiel (dapd). Nach den Rechten für Flugpassagiere bei Verspätungen und Annullierungen wird es nun auch eine EU-weite Regelung für den Schiffsverkehr geben. Zum 18. Dezember 2012 tritt die entsprechende europäische Verordnung mit der Nummer 1177/2010 in Kraft. Sie regelt Fahrgastrechte im See- oder Binnenschiffsverkehr. "Voraussetzung für ihre Anwendung ist, dass Einschiffungshafen beziehungsweise Ausschiffungshafen in der Europäischen Union liegen. Ist nur letzteres der Fall, muss der Beförderer außerdem seinen Sitz in einem EU-Mitgliedsland haben", erläutert Kerstin Heidt, Juristin beim Europäischen Verbraucherzentrum am Standort Kiel.
Keine Verordnung ohne Ausnahmen
Doch auch dann gelte die Verordnung nicht für alle Schiffsfahrten. Ausgenommen seien unter anderem Ausflugs- und Besichtigungstouren, Fahrten mit Schiffen, die zur Beförderung von maximal zwölf Passagieren zugelassen sind, oder Touren mit einer Gesamtstrecke von weniger als 500 Metern, wie es beispielsweise bei Flussfähren der Fall ist. Auch auf Kreuzfahrten finde die neue Verordnung keine Anwendung, für sie gelte das Pauschalreiserecht, betont Heidt.
Anders sieht es bei Fahrten mit der Fähre zum Beispiel auf dem Mittelmeer sowie der Nord- oder Ostsee aus. Kommt es dabei zu Verspätungen oder Ausfällen, werden die Ansprüche der Fahrgäste nun klar geregelt. "Als erstes steht die Informationspflicht des jeweiligen Unternehmens, das heißt, die betroffenen Passagiere müssen spätestens 30 Minuten nach der fahrplanmäßigen Abfahrtszeit über den Stand der Dinge in Kenntnis gesetzt und betreut werden", sagt die Verbraucherschützerin. Sei davon auszugehen, dass sich die Abfahrt um mehr als 90 Minuten verzögere oder annulliert werde, bestehe ein Anspruch auf einen kostenlosen Imbiss und Erfrischungen. Werde eine Übernachtung notwendig, muss das Unternehmen die Unterbringung zum Beispiel auf dem Schiff oder in einem Hotel bereitstellen beziehungsweise die Kosten übernehmen. Diese seien allerdings durch die Verordnung auf 80 Euro pro Person und Nacht für die Dauer von drei Nächten gedeckelt, betont Heidt.
Gleichzeitig bestehe bei einer voraussichtlichen Verspätung von mehr als 90 Minuten oder eine Annullierung aber auch der Anspruch auf eine alternative Beförderung zum Fahrtziel. Diese müsse ohne Aufpreis und zum frühestmöglichen Zeitpunkt, aber unter vergleichbaren Bedingungen erfolgen, beispielsweise mit einem anderen Fährunternehmen. Eine weitere Möglichkeit sei, gegen Erstattung des Fahrpreises von dem Vertrag zurückzutreten.
Anspruch auf Entschädigung
Ergänzend gebe es ab einer bestimmten Verspätungsdauer einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von mindestens 25 Prozent des gezahlten Fahrpreises: "Die Mindestdauer der Verspätung orientiert sich dabei an der gesamten Dauer der Überfahrt", erläutert Heidt. Sie liegt zwischen einer Stunde bei einer Fahrtdauer von bis zu vier Stunden und sechs Stunden bei einer Fahrtdauer von mehr als einem Tag. Bei mehr als doppelt so langer Verspätung erhöht sich die Entschädigung auf 50 Prozent des Fahrpreises.
Ansprüche müssen innerhalb von zwei Monaten direkt beim jeweiligen Schiffsunternehmen geltend gemacht werden. Erstattungen können entweder durch Zahlungen oder durch Gutscheine erfolgen. Letztere müssen Betroffene jedoch nicht akzeptieren, betont Heidt. Einigt man sich auf eine Überweisung des entsprechenden Betrages, dürfen die Kosten dieser Transaktion, wie beispielsweise Bankgebühren, nicht zulasten des Fahrgastes gehen, sondern müssen vom Unternehmen getragen werden. Sollten Probleme bei der Durchsetzung von Ansprüchen auftreten, kann das Europäische Verbraucherzentrum weiterhelfen. Informationen dazu gibt es im Internet unter eu-verbraucher.de oder telefonisch unter 07851/991480.
dapd