Belfast (dapd). Hummer könnten entgegen bisheriger Annahmen doch Schmerzen leiden, wenn sie lebendig gekocht werden. Zumindest für Strandkrabben haben Biologen nun gezeigt, dass die Tiere Opfer bringen, um leichte Elektroschocks zu vermeiden. Die körperliche Reaktion auf den Stromstoß lasse sich somit nicht durch einen Reflex erklären, schreiben die Forscher im "Journal of Experimental Biology" (doi:10.1242/jeb.072041).
"Von einen philosophischen Standpunkt ist es unmöglich, mit Gewissen zu beweisen, dass ein Tier Schmerz verspürt", sagt Studienleiter Bob Elwood von der Queen’s University in Belfast. Die Wissenschaft habe sich daher auf verschiedene Kriterien geeinigt, die zu erwarten sind, wenn es sich um Schmerz handelt. Ein wesentliches Merkmal ist die Funktion des Schmerzes: Er dient dem Lernen, um zukünftige Verletzungen zu vermeiden.
Experiment unterscheidet zwischen Reflex und echtem Schmerz
Bislang gingen die meisten Wissenschaftler davon aus, dass ein Reflex die körperliche Reaktion von Schalentieren erklärt, die verletzt werden. Die sogenannte Nozizeption beruht auf Nervenenden, die auf thermische, chemische und mechanische Reize reagieren, um akut Verletzungen zu vermeiden. Eine zukünftige Verhaltensänderung wird dadurch nicht bewirkt. Elwood und sein Kollege Barry Magee entwickelten deshalb ihr Experiment so, dass es zwischen Nozizeption und Schmerz unterscheiden konnte.
Die Biologen beobachteten das Verhalten von 90 Strandkrabben. Die Forscher setzten jeweils ein Tier in ein Becken mit zwei dunklen Unterschlüpfen. Dort wählte die Krabbe ihr bevorzugtes Versteck – und erhielt dort einen leichten Stromschlag. Nach einer Pause außerhalb des Beckens setzten die Forscher das Tier wieder hinein, und es bezog in der Regel erneut den bereits ausgewählten Unterschlupf. Wieder versetzten die Biologen der Krabbe dort einen leichten Stromschlag. Als das Tier zum dritten Mal in das Becken gesetzt wurde, suchte es sich in der deutlichen Mehrheit der Fälle ein neues Versteck. Erhielten die Krabben zu keiner Zeit einen Stromschlag, behielten sie auch beim dritten Aufenthalt im Tank ihr ursprüngliches Versteck bei.
Verhalten der Krabben stimmt mit Kriterien für Schmerz überein
"Nach zwei Runden mit Schocks haben die Krabben gelernt, den Unterschlupf zu vermeiden, in dem sie den Schock erhalten haben", analysiert Elwood. Die Krabben seien bereit, ihre Zufluchtsstätte aufzugeben, um die Quelle ihres – vermutlichen – Schmerzes zu vermeiden. "Wir haben die Kriterien für Schmerz getestet und die Daten stimmen damit überein", resümiert Elwood.
Die Forscher fordern nun, dass untersucht werden müsse, wie Schalentiere wie Krabben, Garnelen und Hummer in der Lebensmittelindustrie behandelt werden. "Milliarden Schalentiere werden gefangen oder in Aquakulturen herangezogen." Im Gegensatz zu Säugetieren erführen sie dort wenig oder keinen Schutz, da angenommen werde, dass sie keinen Schmerz empfinden können. "Ein potenziell sehr großes Problem wird ignoriert", kritisiert Elwood.
dapd