Berlin/Hamburg/München (dapd). Jede fünfte Frau um die vierzig hat laut einem Bericht der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften keine Kinder. Bei sieben bis acht Prozent von ihnen ist das ungewollt, sagt Michael Ludwig, Reproduktionsmediziner und Professor für Frauenheilkunde in Hamburg. "Viele von ihnen erhoffen sich Hilfe durch eine Hormonbehandlung."

Hormone helfen nur begrenzt

Diese sei durchaus erfolgversprechend – allerdings als alleinige Maßnahme nur bei zehn bis 15 Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch, erläutert der Gynäkologe: "Bei Frauen, die tatsächlich ’nur‘ Probleme mit der Reifung ihrer Eizellen oder mit dem Eisprung haben – und nicht mit den Eileitern oder mit der Zeugungsfähigkeit des Partners – stehen die Chancen, durch eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke innerhalb eines Jahres schwanger zu werden, bei 70 bis 80 Prozent." In solch einem Fall nehme die Frau entweder fünf Tage lang am Anfang ihres Zyklus Tabletten mit dem Arzneistoff Clomifen ein, der die Eibläschenreifung befördert, oder spritze sich über mehrere Tage mit einem Pen das Eierstock stimulierende Hormon FSH in die Bauchhaut. "Der Zeitraum für die Spritzenbehandlung hängt von der individuellen Ansprechbarkeit der Eierstöcke ab und liegt im Mittel bei zehn bis 14 Tagen."

Höhere Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsschwangerschaft

In den meisten Fällen reife dann innerhalb von zehn Tagen mindestens ein Ei heran und es komme zum Eisprung. Weil durch die Stimulation häufig mehrere Eier gleichzeitig heranreifen, liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Zwillingsschwangerschaft der gemeinnützigen Beratungsorganisation pro familia zufolge bei 16 bis 18 Prozent, die für eine Drillingsschwangerschaft bei drei bis vier Prozent. "Wegen dieses Mehrlingsrisikos gehört zu jeder Behandlung auch eine begleitende Ultraschalluntersuchung", erklärt Ludwig. "Nur so kann man prüfen, ob mehrere Eibläschen heranreifen und das Mehrlingsrisiko übermäßig steigt."

Behandlung steigert psychischen Druck

Wann das Ei gereift und die Frau besonders fruchtbar ist, erkennt der behandelnde Arzt mithilfe von zwei bis drei Ultraschalluntersuchungen während des Behandlungszeitraums. Die Belastung für die Frau und das Paar sieht Gynäkologe Ludwig demnach weniger in körperlichen Strapazen der Frau, sondern vielmehr in dem psychischen Druck, den das Vorgehen mit sich bringe – nicht zuletzt beim Geschlechtsakt, der nunmehr zeitlich gesteuert stattfinde und damit oft als weniger romantisch oder erotisch empfunden werde.

Die Diplom-Psychologin Andrea Kaindl, die schon zahlreiche Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch beraten hat, fügt hinzu: "Jede Hormonbehandlung löst Hoffnungen und Erwartungen aus, die, wenn sie sich nicht erfüllen, das Gefühl von Kränkung und auch Trauer extrem steigern können."

Die Partnerschaft stärken und das Verbindende schätzen

Aus diesem Grund legt sie bei Frauen und Paaren, die sie begleitet, besonderen Wert darauf, "die Partnerschaft zu stärken – egal wie die Fruchtbarkeitskrise ausgeht". Deshalb richte sie den Blick vor allem darauf, was ein Paar miteinander verbinde, und wie sich die beiden auch während der Hormonbehandlung gegenseitig am besten unterstützen könnten. Ein Beispiel: Während viele Männer ihrer Partnerin Worte wie "Das wird schon noch…" sagten, um sie aufzumuntern, empfänden betroffene Frauen solche Äußerungen oftmals als zusätzlichen Druck – und fragten sich, was denn passiere, wenn es eben nicht wird. "Für viele ist es um einiges tröstlicher zu hören, dass ihr Partner sie als die Frau liebt, die sie ist – mit oder ohne Kinder."

dapd